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02.03.2022: Innere Balance: Der Darm als Stressdetektor und -manager

02.03.2022: Innere Balance: Der Darm als Stressdetektor und -manager
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Mit der richtigen Ernährung die Stress-Resilienz erhöhen

Vielen Menschen schlägt privater oder beruflicher Stress spürbar auf die Verdauung und den Appetit. Laut einer Umfrage von Yakult[1] geben 74 Prozent aller Befragten an, dass Stress und schlechte Stimmung bei ihnen zu Darmproblemen führen. Gleichzeitig versuchen über dreiviertel aller Deutschen, Stress mit Essen zu kompensieren[2]. Dabei bevorzugen sie der Umfrage nach „Komfortnahrungsmittel“ mit hohem Zucker- und Fettanteil wie Schokolade oder Kekse. Dass dies die Stress-Spirale über die Darm-Hirn-Achse sogar noch verstärken kann, wissen aber die wenigsten. Denn immer mehr Studien verdeutlichen mittlerweile, welchen Einfluss die Darmmikrobiota auf die Stress-Resilienz hat.

Die Zusammensetzung der Darmmikrobiota und ihre Bedeutung für unser generelles Wohlbefinden rücken immer stärker in den Fokus von Ernährungswissenschaft und Medizin. Neben dem Einfluss auf das Immunsystem wird inzwischen auch die Bedeutung für die geistig-mentale Stabilität und Leistungsfähigkeit durch Forschungsergebnisse belegt.

Bauchgefühl und Wohlbefinden
Unser Darm beeinflusst unsere mentale Stabilität und Stimmungslage über sogenannte Botenstoffe. Welche Botenstoffe gebildet werden, wird dabei durch die Zusammensetzung der Darmmikrobiota mitbestimmt. Manche Keimarten fördern Stress, andere wirken über ihre Stoffwechselprodukte eher beruhigend. Laut einer repräsentativen Umfrage von Yakult leiden fast dreiviertel aller Befragten (74 Prozent) unter Verdauungsproblemen, wie Blähungen, aber auch Verstopfungen, wenn sie Stress haben oder in schlechter Stimmung sind. Gleichzeitig denken 69 Prozent, dass der Darm auch auf Stress und Emotionen Einfluss hat. Und damit liegen sie richtig: Denn der Darm beeinflusst das mentale Wohlbefinden, da der Magen-Darm-Trakt und das Gehirn miteinander kommunizieren, und das ununterbrochen und vor allem wechselseitig. Das heißt, der Darm erhält nicht nur Anweisungen vom Gehirn, sondern sendet vor allem auch selbst Signale dorthin.

Die Darm-Hirn-Verbindung
Das Gehirn kommuniziert mit allen Organen im Körper – auch dem Darm – über das zentrale Nervensystem (ZNS), ein Netzwerk aus Nerven, das unseren gesamten Körper durchzieht und so fein verästelt ist wie das Wurzelwerk eines Baumes. Der Darm aber ist das einzige Organ in unserem Körper, das darüber hinaus auch über ein ganz eigenes Nervensystem verfügt. Es wird als enterisches Nervensystem (ENS) bezeichnet und befähigt den Darm, eigenständig und vollkommen autonom zu agieren. Er kann ohne Impulse vom Gehirn und unabhängig von einem Stimulus die Nahrung, die wir zu uns nehmen, verdauen. Aus diesem Grund wird das ENS auch als das zweite Gehirn oder Bauchhirn bezeichnet.
Auch wenn der Darm einige Funktionen unabhängig ausführen kann, steht er doch in einem sehr regen kommunikativen Austausch mit dem Gehirn. Die komplexen Signalwege zwischen Darm und Gehirn werden unter dem Begriff „Darm-Hirn-Achse“ zusammengefasst und sind sowohl physischer als auch biochemischer Natur. Sie verlaufen sehr unterschiedlich, z. B. über den Vagusnerv, das Immunsystem sowie die Bildung verschiedener Botenstoffe und kurzkettiger Fettsäuren durch die Darmmikrobiota. Die Kommunikation über die Darm-Hirn-Achse ist zwar wechselseitig, dennoch gehen ca. 80 bis 90 Prozent der Nachrichten vom Darm an das Hirn – viel mehr als umgekehrt.

Der Darm als Stressdetektor
Neben kurzkettigen Fettsäuren produzieren Darmbakterien auch einen großen Anteil chemischer Botenstoffe, sogenannte Neurotransmitter, wie Dopamin und Serotonin, oder sind an deren Bildung beteiligt. Beide können die Stimmung beeinflussen und werden im Volksmund als Glückshormone bezeichnet. Faktisch werden rund 90 Prozent des Glückshormons Serotonin im Darm erzeugt. Dieses ist dort vor allem auch für die Darmbewegung von Bedeutung. Zwar kann das Serotonin aus dem Bauch nicht direkt ins Gehirn gelangen, weil es aufgrund der Blut-Hirn-Schranke aus dem Blut nicht ins Hirngewebe übertreten kann. Eine aktuelle wissenschaftliche Veröffentlichung zeigt jedoch, dass Stoffwechselprodukte, die von Darmbakterien freigesetzt werden, möglicherweise auch den Gehalt an verwandten Stoffwechselprodukten im Gehirn beeinflussen können. Im Rückschluss hieße dies, dass die Darmmikrobiota Gehirnfunktionen sowie die Kognition regulieren und damit Einfluss auf Emotionen und Stressempfinden nehmen könnte.[3]

Stressresilient durch Bakterienvielfalt
Die Billionen-starke Mikroben-Gesellschaft im Darm könnte folglich den „Draht“ zwischen Kopf- und Bauchgehirn in positiver wie auch negativer Weise manipulieren. Beispielsweise wird auch das Essverhalten durch die Darmmikrobiota mitbestimmt: Während es Keime gibt, die den Appetit steigern, gibt es andere, die eine vorzeitige Sättigung herbeiführen.
Untersuchungen legen zudem nahe, dass die Mikrobiota durch den großen Anteil an von ihr produzierten Botenstoffen auch beim individuellen Stress-Management eine entscheidende Rolle spielt.[4] Bei länger anhaltendem Stress werden vermehrt Stresshormone aus der Gruppe der Glucocorticoide freigesetzt, die das Appetitempfinden verstärken, obwohl der Körper eigentlich keine Nahrung benötigt. Denn: Der kognitive Stress von heute verbraucht weit weniger Energie als eine Flucht oder ein Kampf zu Vorzeiten. Gerade bei chronischem Stress kann daher Übergewicht drohen.
Die Darmmikrobiota wird ebenfalls von chronischem Stress beeinträchtigt, denn die vermehrte Freisetzung von Stresshormonen kann die Artenvielfalt der im Darm lebenden Bakterien reduzieren.[5]

Wenn Darmbakterien, wie Bifidobakterien und Laktobazillen, sich zurückziehen, verschiebt sich der pH-Wert des Darmmilieus und bietet ungünstigen Bakterien weniger Widerstand, sodass diese sich noch leichter ausbreiten können. Diese Dysbalance der Darmmikrobiota führt dazu, dass der Darm seine Aufgaben nicht mehr optimal erfüllen kann. Die Folgen sind Verdauungsbeschwerden wie Blähungen, Durchfall oder Verstopfung. Da „gute“ Bakterienstämme wie Laktobazillen und Bifidobakterien aber auch an der Verstoffwechselung der Aminosäure Tryptophan beteiligt sind, die der Körper für die Bildung des Wohlfühlhormons Serotonin benötigt, bewirkt dies außerdem, dass das seelische Gleichgewicht aus der Balance gerät und der Stress sich noch verstärkt.
Eine ausgewogene, überwiegend pflanzliche Ernährung mit einer vielfältigen, bunten Auswahl an Gemüse, Obst und ballaststoffreichen Lebensmitteln, wie z. B. Vollkorngetreide, Hülsenfrüchten, Saaten und Nüssen, sowie fermentierten Nahrungsmitteln, wie Kefir, Natur-Joghurt oder Sauerkraut, ist in der Lage, diese Dysbalance wieder auszugleichen, da sie sich positiv auf die Darmmikrobiota und diese wiederum auf die Stressresistenz auswirkt.[6]
Fragt man aber die Deutschen, was sie bevorzugt essen, wenn sie einen Stimmungsaufheller benötigen, dann greift fast die Hälfte (43 Prozent) über alle Altersgruppen hinweg zu Süßigkeiten. Während die über 44-Jährigen an zweiter Stelle Kaffee und die jüngeren Schoko-Kekse nennen, wird an dritter Stelle von allen Milchschokolade als liebstes „Mood-Food“ angeführt. Nur 5 Prozent gaben an, dass sie in Stress-Situationen zu Probiotika greifen.

Glück und Zufriedenheit beginnen im Darm
Die Erforschung der Darmmikrobiota und ihre Auswirkung bzw. Bedeutung für das allgemeine Wohlbefinden hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Dank moderner Forschung wird immer klarer, auf welch ungeahnte Weise Kopf und Bauch zusammenhängen und wie bedeutsam es gerade in stressigen Zeiten bzw. Lebensabschnitten ist, die Stopp-Taste zu drücken. Denn durch ausreichend Bewegung und Erholungsphasen, aber auch durch die bewusste Lebensmittelauswahl, kann das innere Gleichgewicht unterstützt und erhalten werden.


[1] Repräsentative paneuropäische Studie mit 1.000 Personen über 18 Jahre aus Deutschland (https://kommunikationpur.com/yakult-studie-darm-hirn-achse/).

[2] 77 Prozent gaben an, Essen als Stimmungsaufheller zu nutzen. 6 Prozent tun dies immer, 24 Prozent oft und 47 Prozent nutzen Lebensmittel nur gelegentlich als „Gefühlsbooster“.

[3] Chen, Y., Xu, J., Chen, Y.: Regulation of Neurotransmitters by the Gut Microbiota and Effects on Cognition in Neurological Disorders. In: Nutrients, 2021, 13, 2099. https://doi.org/10.3390/nu13062099 (27.09.2021)

[4] Chen, Y., Xu, J., Chen, Y.: Regulation of Neurotransmitters by the Gut Microbiota and Effects on Cognition in Neurological Disorders. In: Nutrients, 2021, 13, 2099. https://doi.org/10.3390/nu13062099 (27.09.2021)

[5] https://www.esanum.de/today/posts/veraenderte-darmbakterien-als-ausloeser-fuer-autoimmunkrankheiten

[6] Blaut M (2015): Ernährungsabhängige Einflüsse der intestinalen Mikrobiota. Ernährungs-Umschau 62(12):216-229. DOI: 10.4455/eu.2015.040


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