Was bedeutet Verantwortung im Umgang mit Alkohol? Angelika Wiesgen-Pick vom BSI gibt im Interview Einblicke in 20 Jahre Präventionsarbeit des Arbeitskreises „Alkohol und Verantwortung“. Sie spricht über Herausforderungen der Branche, verändertes Konsumverhalten und darüber, warum Aufklärung heute wichtiger ist denn je.
Der Konsum von alkoholischen Getränken ist in unserer Gesellschaft fest verankert – als Teil kultureller Tradition, kulinarischer Vielfalt und geselligen Zusammenseins. Doch mit dem Genuss geht stets auch Verantwortung einher. Der Bundesverband der Deutschen Spirituosen-Industrie und -Importeure e. V. (BSI) nimmt diese Verantwortung ernst, insbesondere durch seinen Arbeitskreis „Alkohol und Verantwortung“, der seit zwei Jahrzehnten ein zentraler Baustein der Präventionsarbeit in Deutschland ist. Im Gespräch mit Angelika Wiesgen-Pick, Geschäftsführerin des BSI, sprechen wir über die Herausforderungen der Branche, die Rolle von Aufklärung und Prävention sowie den Blick in die Zukunft.
Frau Wiesgen-Pick, wenn Sie den BSI in drei Wörtern beschreiben müssten – welche wären das?
Angelika Wiesgen-Pick: Dachverband der Spirituosen-Industrie in Deutschland, politisches Sprachrohr in Deutschland und der EU sowie beratender Dienstleister.
Was sind aktuell die größten Herausforderungen für die Spirituosenbranche in Deutschland?
Angelika Wiesgen-Pick: Die größten Herausforderungen liegen aktuell in der fehlenden Verlässlichkeit der politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen – sowohl national als auch international. Themen wie Bürokratieabbau, Fachkräftemangel, Inflation, Handelsbarrieren und Zölle beschäftigen uns sehr. Gleichzeitig ist wirtschaftliche Stabilität wichtig, um nachhaltige Wertschöpfung zu sichern.
Wie hat sich der Konsum und das Bewusstsein rund um Alkohol in den letzten Jahren verändert – und wie reagiert der BSI darauf?
Angelika Wiesgen-Pick: Der Spirituosenmarkt im Lebensmitteleinzelhandel, der rund 78 % des Gesamtmarktes ausmacht, war bis 2022 stabil. In den Jahren 2023 und 2024 ist der Pro-Kopf-Konsum jedoch leicht zurückgegangen – um jeweils 0,1 Liter. Mit einem Anteil von etwa 4 % am gesamten Pro-Kopf-Verbrauch alkoholischer Getränke bleibt der Markt dennoch bedeutend.
Gleichzeitig hat sich das Umfeld deutlich verändert: Verlässliche politische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen fehlen derzeit noch, geopolitische Krisen sowie die anhaltend hohe Inflation und hohe Lebenshaltungskosten
verunsichern die Menschen und führen zu einer stärkeren Ausgabenzurückhaltung. Wir setzen im Verband auf Premiumprodukte, Qualität und starke Marken. Spirituosen sind Genussmittel – und mit ihnen sollte stets verantwortungsvoll umgegangen werden.
Zum Stichwort „verantwortungsvoll“: Der Arbeitskreis „Alkohol und Verantwortung“ wurde vor zwanzig Jahren ins Leben gerufen. Was war der ursprüngliche Auslöser?
Angelika Wiesgen-Pick: Eine damalige Basisstudie zeigte, dass Eltern häufig nicht oder nur unzureichend mit ihren Kindern über Alkohol sprechen. Daraus entstand der Wunsch der überwiegend familiengeführten BSI-Mitgliedsunternehmen, gesellschaftliche Mitverantwortung zu übernehmen. Der Arbeitskreis sollte von Anfang an nicht kommerzielle Aufgaben übernehmen und zur Reduktion des missbräuchlichen Alkoholkonsums beitragen.
Die Mitgliedsunternehmen des BSI haben die Überzeugung, dass sie eine aktive Mitverantwortung im gesellschaftlichen Kontext für einen bewussten und gesundheitsverträglichen Umgang der Verbraucherinnen und Verbraucher mit ihren Produkten sachgemäß tragen.
Zum einen sind alkoholische Getränke Bestandteile von Genuss und Kultur, zum anderen gibt es aber natürlich Situationen, in denen auf Alkohol verzichtet werden muss. Das ist im Straßenverkehr, am Arbeitsplatz, bei Medikamenteneinnahme, in der Schwangerschaft und Stillzeit und ganz besonders im Bereich des Kinder- und Jugendschutzes wichtig. Kinder und Jugendliche können bestimmte Gefahren nicht einschätzen und bedürfen daher einer besonderen Aufmerksamkeit. Das fängt im Elternhaus an und hört an der Supermarktkasse auf. Und dafür tragen wir alle eine Mitverantwortung.
Was waren in diesen zwei Jahrzehnten die wichtigsten Meilensteine oder Erfolge?
Angelika Wiesgen-Pick: Ein bedeutender Meilenstein ist die Etablierung unserer drei Säulen des Arbeitskreises „Alkohol und Verantwortung“ des BSI: (1) Präventionsmaßnahmen, (2) effektive Selbstregulierungen der Mitgliedsunternehmen des BSI und (3) umfassende Verbraucherinformation. Alle Initiativen wurden und werden von unabhängigen Experten entwickelt, evaluiert und kontinuierlich weiterentwickelt. Besonders stolz sind wir auf die große Reichweite und positive Wirkung in der Bevölkerung – von Eltern bis zu Unternehmen.
Wie genau sehen die Maßnahmen des Arbeitskreises aus?
Angelika Wiesgen-Pick: Im Arbeitskreis „Alkohol und Verantwortung“ werden die Aktivitäten zur Corporate Social Responsibility (CSR), d. h. zur sozialen Verantwortung der Unternehmen, konzipiert und realisiert. Die Präventionsmaßnahmen des Arbeitskreises sind vielfältig und zielgerichtet. Sie gliedern sich in fünf zentrale Initiativen:
- Eltern-Prävention: „Klartext reden!“ + Internet-Information
Eltern werden informiert, mit ihren Kindern offen und verantwortungsvoll über Alkohol zu sprechen – in altersgerechter Sprache und mit der nötigen Sensibilität. Psychologen führen Workshops in Schulen durch. Die dazugehörigen Materialien sind online verfügbar und werden jährlich aktualisiert. - „Schulungsinitiative Jugendschutz“
Im web-basierten Training werden Mitarbeiter/innen in Einzelhandel, Tankstellen, Gastronomie und dem Online-Handel zum richtigen Umgang mit Alterskontrollen bezüglich alkoholischer Getränke geschult. Nach erfolgreichem Abschluss der digitalen Schulung wird ein Zertifikat vergeben. - Schwangerschafts-Prävention: „Verantwortung von Anfang an!“
In Kooperation mit Gynäkologenverbänden in Deutschland werden in Praxen jährlich hunderttausendfach wissenschaftlich bedeutende Broschüren „Neun Monate – null Promille“ verteilt, die werdende Mütter über die Risiken von Alkoholkonsum in Schwangerschaft und Stillzeit aufklären. Diese Materialien wurden in Zusammenarbeit mit Medizinern entwickelt und werden bundesweit eingesetzt. Die Maßnahme erfolgt auch im Internet bzw. über Sozial-Media-Kanäle. - Arbeitsplatz-Prävention: „Alkohol am Arbeitsplatz – nüchtern betrachtet!“
Ziel ist es, Unternehmen für Risiken von Alkoholkonsum am Arbeitsplatz zu sensibilisieren – etwa in sicherheitsrelevanten Berufen oder in Verbindung mit Medikamenteneinnahme. Die Materialien unterstützen Betriebe bei der innerbetrieblichen Kommunikation und Schulung. - Verkehrsprävention: „DON’T DRINK AND DRIVE“
Diese Initiative richtet sich vor allem an junge Fahranfänger. In Zusammenarbeit mit dem Bund gegen Alkohol und Drogen im Straßenverkehr, dem Bundesverkehrsministerium und der Polizei wird in Schulen, bei Events und an Berufsschulen sowie über Social Media für Nüchternheit am Steuer geworben. Der BSI ist seit Jahrzehnten ein aktiver Unterstützer der Initiative „DON´T DRINK AND DRIVE“.
Alle Maßnahmen sind Teil unserer CSR-Strategie, werden wissenschaftlich begleitet, regelmäßig evaluiert und konsequent an neue gesellschaftliche Herausforderungen angepasst.
Wenn Sie einen Blick in die nächsten 20 Jahre wagen: Welche Vision haben Sie für den Arbeitskreis „Alkohol und Verantwortung“ – und was wünschen Sie sich für das gesellschaftliche Miteinander rund um das Thema Alkohol?
Angelika Wiesgen-Pick: Ich wünsche mir, dass wir unsere Arbeit dauerhaft, konsequent und weiterhin erfolgreich fortführen. Prävention ist keine einmalige Aufgabe – jedes Jahr gibt es neue Jugendliche, neue Eltern, neue Schwangere, neue Autofahrer und neue Herausforderungen. Unser Ziel ist es, weiterhin faktenbasiert aufzuklären und Menschen zu befähigen, bewusst mit Alkohol umzugehen. Genuss und Verantwortung bedingen einander und müssen daher stets Hand in Hand gehen!
Über den BSI
Der Bundesverband der Deutschen Spirituosen-Industrie und -Importeure e. V. (BSI) mit Sitz in Bonn und Brüssel vertritt als Spitzenorganisation der deutschen Spirituosen-Hersteller und -Importeure mit einer Vielzahl von Direktmitgliedern, namhaften Fördermitgliedern und vier regionalen Landesgruppen rund 80 Prozent des gesamten Spirituosenmarkenumsatzes. Zu seinen Mitgliedern gehören sowohl kleine und mittlere als auch große Familienunternehmen aus Deutschland mit zum Teil jahrhundertealter Geschichte ebenso wie internationale Konzerne mit deutschen Tochtergesellschaften und junge Craft-Spirits-Hersteller, die das Handwerk des Brennens erlernt haben und diese Kunst weiter aufbauen.
Der BSI versteht sich sowohl als politisches Sprachrohr und beratender Dienstleister seiner Mitgliedsunternehmen als auch als Interessenvertreter auf politischer Ebene bei Bund, Ländern und in Europa.
Der BSI ist Mitglied in seinem europäischen Dachverband spiritsEUROPE und seinen nationalen Dachverbänden, u. a. der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie e. V., dem Lebensmittelverband Deutschland e. V., dem Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft e. V. sowie dem Markenverband e. V.
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