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ChatGPT in der PR: Pressetext auf Knopfdruck – (k)ein Grund zur Panik?

Auf künstlicher Intelligenz/artificial Intelligence (KI/AI) basierende Programme wie ChatGPT könnten PR-Arbeit verändern.

Viel wurde in den letzten Wochen und Monaten über ChatGPT berichtet. Auf Knopfdruck liefert das Dialogsystem grammatikalisch nahezu fehlerfreie Texte zu (fast) jedem beliebigen Thema. Was bedeutet das für die PR-Branche? Welche Chancen, welche Risiken bringt der neue Chatbot? Wir haben ihn getestet und ziehen ein erstes Fazit.

In der Informationsflut nach der Wahrheit fischen

„Ich glaube an das Pferd. Das Automobil ist nur eine vorübergehende Erscheinung.“

Von wem das Zitat stammt? ChatGPT sagt, es werde Louis Antoine de Bougain zugeschrieben, einem französischen Komponisten und Dichter. Die ersten zwei Google-Suchergebnisse sagen, es stamme vom deutschen Kaiser Willhelm II. Das dritte Google-Ergebnis klärt auf, dass es sich um eine Fehlzuschreibung handele und der wahre Zitatgeber bzw. die Entstehung des Zitates unbekannt sei. Als vorübergehend habe der Kaiser lediglich die Sozialdemokratie bezeichnet. Google sagt übrigens auch, dass Louis Antoine de Bougain kein Komponist und Dichter war, sondern ein Offizier, Seefahrer und Schriftsteller.

Bei der Nutzung von ChatGPT in der PR ist Vorsicht geboten, seine Antworten sind nicht immer korrekt.
© OpenAI/ kommunikation.pur GmbH

An was nun glauben? Das Pferd oder das Auto? Google oder ChatGPT?

Der Blick in die Glaskugel – bloß nichts Falsches sagen

Von wem das Zitat auch stammt, es ist zum Sinnbild für eine massive Unterschätzung einer neuen Technologie geworden. Und weil niemand am Ende wie der Dumme dastehen will, der das Potenzial einer solchen neuen Technik nicht erkannt hat, ist derzeit viel vom Heilsbringer und Jobkiller die Rede – vom Durchbruch, der unser Leben verändern, Autoren, Journalisten und Werbetexter überflüssig und Schulaufsätze sinnlos machen wird. Und das alles nur wegen ChatGPT, ein vom amerikanischen Unternehmen OpenAI entwickelter Chatbot, der auf (fast) alles eine Antwort hat. Nur nicht immer die richtige. Wird ChatGPT vor lauter Angst vor einer Fehleinschätzung statt unterschätzt überschätzt?

Der Teufel steckt im Detail – ChatGPT lieber nicht vertrauen

ChatGPT hat eine hohe Trefferquote. Das meiste, was er von sich gibt, stimmt. Aber eben nicht alles. Und gerade, weil so viel richtig ist, rutschen die paar falschen Sachen schnell durch. Das macht die Nutzung fehleranfällig und von der angepriesenen Zeitersparnis bleibt nicht viel, wenn man alles sicherheitshalber noch mal überprüft. Was man einem Schüler in einem Aufsatz verzeihen mag, kann man sich in PR und Kommunikation nicht leisten. Selbst kleinste Ungenauigkeiten können hier zum Problem werden, Halbwahrheiten Shitstorms lostreten, grobe Schnitzer einen Skandal verursachen. Das gilt in der Food-PR ganz besonders.

Ursprung unbekannt: ChatGPT und die Frage nach den Quellen

Man kann es als Vor- oder als Nachteil sehen: Im Gegensatz zu Google, wo viele unterschiedliche Treffer vorgeschlagen werden und die Absender der Informationen erkennbar sind, erzeugt ChatGPT nur eine Antwort. Dabei ist völlig unklar, auf welcher Basis diese Antwort gegeben wird. Der Chatbot gibt keine Quellen an, wenn man ihn nicht gezielt danach fragt. Und selbst dann liefert er oft keine zufriedenstellende Antwort.

Die Intransparenz ist einer der größten Kritikpunkte an dem Programm, das allerdings auch nur ein erster Prototyp ist und dessen Wissensschatz 2021 endet. Es ist davon auszugehen, dass sich die Qualität der gelieferten Informationen weiter verbessern wird, zumal die ganze Welt den Chatbot gerade eifrig trainiert und mit Daten füttert. Auch Quellenangaben soll es in Nachfolgeversionen geben. Hier wird Google richtig Konkurrenz gemacht.

ChatGPT klärt selbst darüber auf, was es kann, aber auch, wo die Grenzen liegen. In der PR gilt es, einige Dinge zu beachten.
© unsplash

Wie man hineinruft … so clever schallt es aus ChatGPT heraus

Bei ChatGPT gilt: Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus. Welche Antworten er liefert, hängt wesentlich vom Fragesteller ab. Kennt man sich in einem Thema aus, kann man die richtigen Fragen und vor allem Nachfragen stellen. So ist es leichter, Fehler in den Antworten aufzuspüren und verdächtige Aussagen kritisch in den Blick zu nehmen. Kennt man sich in einem Thema aber nicht aus, gibt man sich womöglich mit falschen oder unzureichenden Informationen zufrieden. Denn es klingt erst mal alles gut.

Zum Recherchieren von Fakten eignet sich ChatGPT also – zumindest derzeit – nur bedingt. Aber wie sieht es mit dem Erstellen von Texten aus?

Erstaunlich, erheiternd, ernüchternd: Texte erstellen mit ChatGPT

Wer ChatGPT zum ersten Mal testet, sitzt wahrscheinlich – so wie wir – mit offenem Mund davor und ist beeindruckt, in welch fehlerfreiem Deutsch (!) ein Satz nach dem anderen erscheint. Auf den ersten Blick ist alles stimmig, die Antworten sind verblüffend bis erheiternd, und es scheint, als müsse man nie wieder einen Text selbst schreiben.

Doch ganz so einfach ist es nicht. Versucht man den Bot anhand praktischer Beispiele in die PR-Arbeit zu integrieren, werden die Grenzen schnell ersichtlich. ChatGPT ist (derzeit) programmiert auf kurze, leicht verständliche Antworten. Wer will heute schon noch viel lesen? Zudem kann eins zu eins kaum etwas bleiben, vieles muss überprüft, umformuliert, ergänzt oder ganz neu geschrieben werden. Unterm Strich ist die Zeitersparnis eher gering. Es wird deutlich: PR ist eben mehr als einen kurzen, seelenlosen 0815-Text zu produzieren.

Tatort Textqualität: One-Fits-All-Massenware oder maßgeschneiderter Anzug?

Hat man sich erst mal ein paar Texte von ChatGPT erstellen lassen, erkennt man die Tendenz zu einem immer gleichen Aufbau und sich wiederholenden Formulierungen in den Antworten. Phrasen kann der Chatbot gut. Die Texte sind ok, aber auch etwas eintönig und langweilig. Sicher, man kann ihn trainieren, kann ihn mit anderen Vorgaben füttern, ihn zu einem lebendigeren, kreativen Schreibstil auffordern. Am Ende ist und bleibt er aber eine Maschine, die sich aktuell nur bedingt in ein Projekt oder ein Unternehmen hinein „fühlen“ und die gewünschte Botschaft wirklich zielgenau transportieren kann.

Wer meint, durch ChatGPT könnte die Arbeit von Journalisten, Autoren, Werbetextern und PRlern überflüssig werden, verkennt, was diese wirklich leisten. Gerade für sie bietet die neue Technik eine große Chance: Durch Qualität herausstechen, sich vom maschinell erstellten Einheitsbrei abheben. Und sich ChatGTP trotzdem zu Nutze machen. Mit sensiblen Daten sollte man dabei aber vorsichtig sein.

In puncto Datenschutz lässt ChatGPT zu wünschen übrig, das sollte bei der Nutzung für PR-Zwecke nicht unbeachtet bleiben.
© pexels

Problem Datenschutz: Pressemitteilungen mit ChatGPT?

Pressemitteilungen verkünden naturgemäß eine Neuigkeit, die der Bot nicht kennen kann. Man kann ChatGPT zwar die nötigen Informationen geben – aber möchte man solche, zum Teil bis zur Veröffentlichung wohl gehüteten Geheimnisse wirklich als Erstes ChatGPT mitteilen? Man sollte nicht den Fehler machen und ausblenden, dass große Konzerne hinter solchen Anwendungen stehen und Daten heute eine Währung sind. Schon bei der Anmeldung gilt es, alle Datenschutzvorsätze über Bord zu werfen und frei heraus E-Mail-Adresse sowie Telefonnummer anzugeben, die – ebenso wie alles, was man den Chatbot hinterher fragt – munter ausgewertet, an Dritte weitergegeben und veröffentlicht werden dürfen.

Und auch umgekehrt besteht die Gefahr, Datenschutz- und Urheberrechtsverletzungen zu begehen, nutzt man die von ChatGPT angebotenen Inhalte. Woher diese stammen, ist schließlich unklar.

Keine vorübergehende Erscheinung: ChatGPT ist gekommen, um zu bleiben

Es sind schon andere Dienste mit fragwürdigen Datenschutzbestimmungen populär geworden und sicher wird es auch bei ChatGPT daran nicht scheitern. Und ja, die Chancen stehen gut, dass der Chatbot ähnlich wie Google irgendwann unser täglicher Begleiter sein wird, gerade in PR und Kommunikation. Die Arbeit wird dadurch aber nicht weniger, höchstens ein bisschen anders.

ChatGPT ist keine vorübergehende Erscheinung, wie das Pferd aus dem Zitat am Anfang. Dafür ist er zu praktisch, schon jetzt, wo er noch in den Kinderschuhen eines Prototyps steckt. Texte umschreiben und nachrecherchieren ist vielen lieber, als vor einem leeren Dokument mit einem einschüchternd blinkenden Cursor zu sitzen. Der Bot liefert gute Grundlagen und Impulse, auf die sich aufbauen lässt. Für Standardschreiben lässt er sich problemlos verwenden. Und dennoch: Er ist auch nicht das Auto, das den Kutscher überflüssig macht. Nicht der Heilsbringer und nicht der Jobkiller. ChatGPT ist kein PRler. Er ist ein nützliches Tool für PRler – und für viele andere auch, im Privaten wie im Beruflichen. Aber der Chatbot ist nicht mehr und nicht weniger als ein Tool, ein Werkzeug, das immer noch mit Sinn und Verstand bedient werden muss.

Wir hätten auch ChatGPT bitten können, uns diesen Beitrag zu schreiben. Und vielleicht haben wir das ja auch und dieser Text stammt in Wirklichkeit von einem Bot. Was meint ihr? Und warum?


Nicht nur am Schreibtisch verändert künstliche Intelligenz unseren Alltag. Auch im Supermarkt hält sie Einzug. Mehr dazu könnt ihr lesen im Beitrag Künstliche Intelligenz im Supermarkt.



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Autorin: Sarah Fischer
Datum: 15.02.2023



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