Im Food Report 2024 untersucht die Trendforscherin Hanni Rützler, wie sie es jedes Jahr tut, die neuesten Entwicklungen im Bereich der Ernährung. Die ausführliche Food-Trend-Map bietet eine umfassende Übersicht über aktuelle Trends und stellt eine entscheidende Orientierungsquelle für die Lebensmittel- und Getränkeindustrie dar. Ein Themenschwerpunkt ihres Reports beschäftigt sich mit dem Wandel unserer Esskultur.
1. Plants for Future: Klimawandel und Moralisierung des Essens
Die lange Zeit dominante Rolle von Fleisch, Milch und tierischen Produkten in unserer Esskultur bringt unübersehbare Folgen mit sich. Die heutige Tierwirtschaft ist weitgehend von der landwirtschaftlichen Aktivität entkoppelt und führt zu ökologischen Schäden. Fleisch wurde vom Powerfood zum problematischen Nahrungsmittel, das Gesundheitsprobleme mit sich bringen kann. Klima- und Umweltaspekte sowie Tierrechtsfragen tragen dazu bei, dass der Blick auf diese Lebensmittel sich verändert. Die Klimakrise hat die Problematik der Fleisch- und Milchproduktion verstärkt. Menschen beginnen, den Konsum tierischer Produkte aus Umwelt- und Klimagründen zu hinterfragen. Die Planetary Health Diet und die Plant-based Food-Industrie bieten Alternativen und beeinflussen bereits die Betriebs- und Campusgastronomie, wo vermehrt pflanzliche Alternativen angeboten werden.
Der notwendige Wandel der Esskultur erfordert auch einen Kurswechsel in der Landwirtschaft. Der hohe Konsum von Fleisch und Milchprodukten muss reduziert werden, um die planetaren Belastungsgrenzen einzuhalten. Bauern und Agrarunternehmen müssen sich auf diese Veränderungen einstellen und neue Wege finden, um nachhaltige Ernährungssysteme zu unterstützen. Der Wandel in unserer Esskultur ist ein komplexer Prozess, der von der Industrie, der Gastronomie, der Politik und den Konsumentinnen und Konsumenten vorangetrieben wird. Durch bewusstere Ernährungsentscheidungen und einen Fokus auf pflanzliche Lebensmittel können wir gemeinsam dazu beitragen, eine nachhaltigere und gesündere Esskultur zu gestalten.
2. The New Job Normal: Arbeitswelt und Esskultur im Wandel
Die moderne Arbeitswelt hat unser Essverhalten revolutioniert. Anstatt von traditionellen Essenszeiten gesteuert zu werden, passen sich Mahlzeiten nun dem individuellen Tagesrhythmus an. Flexiblere Arbeitsmodelle, Homeoffice und neue Arbeitssituationen haben die traditionelle Struktur von Mahlzeiten aufgebrochen. Die Mahlzeiten werden vielseitiger und individueller gestaltet, wodurch die Snackification zur neuen Esskultur wird.
Die Verschiebung in der Arbeitswelt hin zu Flexibilität und Homeoffice hat nicht nur die Art und Struktur unserer Mahlzeiten beeinflusst, sondern auch die gesamte Esskultur verändert. Die Covid-19-Pandemie hat diesen Wandel beschleunigt und den Fokus wieder verstärkt auf Mahlzeiten im häuslichen Umfeld gelegt. Kochen und Backen zu Hause wurden beliebter, Kochvideos und Rezept-Apps erlebten einen Boom.
Die Erfahrungen aus dem Homeoffice haben gezeigt, dass flexible Arbeitsmodelle eine bessere Work-Life-Balance ermöglichen und die Produktivität steigern können. Viele Mitarbeitende streben nun hybride Arbeitsmodelle an, bei denen sich Homeoffice und Büroarbeit abwechseln. Diese Veränderungen haben auch Auswirkungen auf die betriebliche Esskultur. Betriebsrestaurants werden zu Treffpunkten für informelle Gespräche und Teambesprechungen und die kulinarische Vielfalt spielt eine zentrale Rolle, um die Beschäftigten zu unterstützen und die Produktivität zu steigern. Die Zukunft der Arbeitswelt wird von einer Verschmelzung von Arbeits- und Lebensräumen geprägt sein, was auch die Esskultur weiter beeinflussen wird. Kantinen und Betriebsrestaurants werden zu flexiblen Orten für gemeinsames Essen, Arbeiten und soziale Interaktion. Ein vielfältiges kulinarisches Angebot, Take-away-Optionen und angepasste Services werden zunehmend wichtige Faktoren, um den Bedürfnissen der Mitarbeitenden gerecht zu werden und die Arbeitskultur zu prägen.
3. The Green Taste of the Future: Wie Technologie unseren Geschmack und die Lebensmittelproduktion verändert
Wir befinden uns an der Schwelle einer Revolution in der Lebensmittelproduktion. Start-ups, Forschungsinstitute und internationale Lebensmittelkonzerne arbeiten gemeinsam an neuen Technologien, die unser Ernährungssystem transformieren sollen. Der Fokus liegt darauf, die Herausforderungen im Zusammenhang mit Gesundheit, Umweltschutz und Ernährung anzugehen.
Die aktuelle Lebensmittelproduktion ist nicht mit den Zielen des Umweltschutzes und der Nachhaltigkeit vereinbar. Studien zeigen, dass der Agrarsektor zu den Hauptverursachern von Treibhausgasemissionen gehört. Die Reduzierung der Produktion und des Verbrauchs tierischer Produkte ist notwendig, um diese Herausforderungen anzugehen. Neue Technologien könnten hier eine Lösung bieten.
Der Markt für pflanzliche und alternative Proteine wächst weltweit. Start-ups entwickeln Produkte aus Mykoproteinen, Mikroalgen, Insekten und mehr. In-vitro-Produktion von Fleisch findet Einzug, insbesondere in Ländern wie Singapur und den USA. Mikrobielle Proteine, hergestellt mithilfe von Präzisionsfermentation und Gentechnik, könnten eine entscheidende Rolle im Kampf gegen den Klimawandel spielen.
Die Einführung neuer Technologien erfordert nicht nur technische Machbarkeit, sondern auch gesellschaftliche Akzeptanz. Die Bevölkerung muss Vertrauen in diese neuen Lebensmittel aufbauen. Transparenz, verständliche Kommunikation und Aufklärung über die Vorteile der Technologien sind entscheidend für die Akzeptanz. Geschmack ist nicht statisch, sondern entwickelt sich mit dem Lebensstil und der Umgebung. Neue Technologien könnten helfen, Geschmacksvorlieben zu verändern und die Akzeptanz für neuartige Lebensmittel zu fördern. Konsumentinnen und Konsumenten, die die Notwendigkeit für Veränderungen im Ernährungssystem erkennen, könnten ihre Abneigung gegenüber Technologien überwinden und so den Weg für eine nachhaltigere Lebensmittelproduktion ebnen.