Die 34-jährige Katharina Kurz, Miteigentümerin von BRLO, hat BWL studiert und ist im Anschluss in die Medienbranche eingestiegen. Mit Bier hat sie bis 2014 beruflich überhaupt nichts am Hut gehabt. Als gebürtige Fränkin spielte es für sie lediglich als Privatperson eine Rolle; ihr Berufsweg als Medienfachfrau schien logisch vorgezeichnet zu sein und ist nun doch anders verlaufen. Wie kommt’s? Sie hat sogar einen Doktortitel, der indirekt ein wenig dafür verantwortlich war, dass sie nun zusammen mit ihren Partnern Christian Laase und Michael Lembke Bier in einer modular-flexiblen Containerbrauerei am Gleisdreieck in Berlin braut.
Bierbrauen statt „Irgendwas-online-machen“
„Die Promotion neigte sich dem Ende zu, und ich wusste, dass ich mich eigentlich bewerben sollte. Konsequenterweise deutete mit dem Doktortitel alles auf einen verantwortungsvollen Job im Online-Marketing hin. In Berlin wollte ich jedenfalls bleiben. Aber der Gedanke, in einem großen Konzern zu arbeiten, hat keine richtige Begeisterung bei mir ausgelöst. Daher habe ich mir im Anschluss an die Promotion noch vier Wochen Australien als Auszeit zum Überlegen, wie es weitergehen sollte, gegönnt. Dort habe ich eine unglaubliche Vielfalt an unterschiedlichsten Bieren vorgefunden und mich gefühlt durch alle Bars Australiens getrunken“, lacht sie. Dabei kamen Erinnerungen an ihre Zeit in den USA auf, wo sie eine Weile gelebt und Craftbiere kennen- sowie die Vielfalt lieben gelernt hat: „Was mir während meines Australien-Aufenthalts nicht bewusst war, ist, dass es in Deutschland mit dem Thema Craftbier, inspiriert durch die amerikanischen Brauer, schon längst losgegangen ist.“ Zurück in Deutschland hat sie sich mit ihrem alten Studienfreund Christian Laase getroffen; die beiden hatten sich ein wenig aus den Augen verloren. Christian hatte sich in der Zwischenzeit, ähnlich wie Katharina, auch mit dem Thema Bier intensiver auseinandergesetzt. Er wollte mit seinem Vater zu Hause Bier brauen – ihnen schwebte so eine Art Vater-Sohn-Brew vor. Für das Familienprojekt war auch schon eine kleine Anlage angeschafft worden, die aber bis heute nie eingefahren wurde, denn es kam ganz anders.
Abenteuer Bierbrauen
Die beiden haben bei ein paar Bieren beschlossen, das Abenteuer zu wagen und sich mit einer eigenen Brauerei zu versuchen. „Wir haben unsere Idee vielen Freunden erzählt und wurden von allen Seiten bestärkt.“ Idee hin, Begeisterung her, aber die wichtigste Komponente fehlte zum fertigen Bier: ein Braumeister, denn die beiden konnten nicht brauen. Daher haben sie im Frühsommer 2014 an der Versuchs- und Lehranstalt für Brauerei in Berlin (VLB) e.V. mit einem Aushang nach einem Braumeister gesucht, der ihr Konzept und ihre Philosophie mit der gleichen Leidenschaft mitträgt. „Und da hat sich Micha gemeldet. Die Chemie zwischen uns dreien hat sofort gepasst, und so haben wir im Juli 2014 BRLO gegründet.“ Um das Risiko gering zu halten, sind sie erst einmal ohne Investition in eine eigene Brauerei gestartet und haben als klassische Gypsybrauer begonnen. Die Ideen und Rezepturen für die Biere kamen von ihnen, gebraut wurde in zwei Brauereien im Berliner Umland. „Wir wollen, auch schon der Marke wegen, so nah an Berlin brauen wie möglich“, erklärt Katharina ihre damalige Vorgehensweise. Nach einigen Telefonaten und Besuchen haben sie sich für zwei Brauereien entschieden, in denen sie auch heute, trotz eigener Braustätte, noch Teilsude fahren und die Flaschen abfüllen lassen. Der Braumeister ist dabei stets vor Ort. Ihre ersten beiden Sorten waren ein Helles und ein Pale Ale. „Mit dem Hellen wollten wir die deutschen Bierliebhaber abholen und mit dem Pale Ale bedienten wir die Bierenthusiasten, die auf hopfenbetonte Biere stehen. Und bis heute sind das Pale Ale und das Helle unsere Bestseller.“
Einmal Gypsy, immer Gypsy
Sehr schnell nahm das Projekt Fahrt auf, und wie bei jedem Gypsybrauer kam auch bei BRLO bald die Überlegung auf, eine eigene Braustätte mit angeschlossener Gastronomie zu bauen. „Wir wollten einen eigenen Ort haben, an dem man die Marke erleben kann. In Berlin ist es natürlich eine große Herausforderung, den passenden Standort zu finden, und wir haben uns einige Optionen angeschaut. Es gab kein vorgegebenes Konzept, wie genau die Brauerei sein sollte. Wir waren für alles offen. Ein Geschäftspartner hat uns von dem Brachland am Gleisdreieck erzählt und mit unserem heutigen Vermieter vernetzt. Es gibt einen Bebauungsplan für die Fläche hier, aber noch keine konkrete Terminplanung, ab wann das Bauvorhaben umgesetzt werden soll. Für die Zwischenzeit hat der Vermieter nach einer coolen Zwischennutzungslösung gesucht“, erzählt Katharina die Entstehungsgeschichte des modularen Brauereikonzepts. Am Gleisdreieck sieht man nun schon von Weitem eine Containerburg stehen, in der die Brauerei, die Verwaltung sowie eine Gastronomie mit 130 Sitzplätzen im Innenraum sowie weiteren 300 im Außenbereich untergebracht sind. „Schon bei der ersten Besichtigung hat es bei uns klick gemacht. Wir haben uns in die modulare Idee verliebt, die zum einen sehr gut zum Wesen eines Gypsybrauers passt, der doch immer noch irgendwie auf dem Sprung sein möchte, und mit der wir uns zum anderen nicht für viele Jahre festlegen müssen. Wer weiß, wie BRLO in drei Jahren ausschaut. Das Containerkonzept ist also aufgrund der Gegebenheiten der Location entstanden.“
Das etwas andere Gastrokonzept
Wer nun denkt, dass er die für ein Brauhaus typischen Fleischgerichte auf der Speisekarte auch bei BRLO findet, wird überrascht sein. Küchenchef Ben zaubert sehr viele Gemüsegerichte mit Pfiff. Er bereitet sie beispielsweise im Smoker zu, arbeitet mit saisonalen und regionalen Produkten und hat auch immer noch die Idee eines Gemüsegartens bei der Brauerei, der die Küche mitversorgt. Im Taproom sind 20 Biere am Hahn, wobei die BRLOs darauf achten, dass immer circa die Hälfte Gastbiere im Angebot sind. Ihnen ist Biervielfalt wichtig, und sie wollen den Gästen ein stimmiges Gesamtsortiment präsentieren – und das geht ihrer Meinung nach nur, wenn man offen für Kollegenbiere ist. Das haben sie auch bei ihrem jüngsten Projekt gezeigt, dem Brauereifest. Im Sommer hatten sie Gastbrauereien mit Ständen auf dem Gelände zu Besuch, was die Gäste sehr geschätzt haben.
Raus in die Welt mit BRLO
Schon der Name BRLO, der alt-slawische Ursprung des Namens Berlin, setzt ein deutliches Statement pro Regionalität. Daher ist es nicht verwunderlich, dass der Löwenanteil der Biere in Berlin und Umgebung in gut 200 Gastronomieobjekten und im Handel vertrieben wird. Ungefähr 20 Prozent werden im eigenen Taproom und dem Biergarten ausgeschenkt. „Wir freuen uns natürlich, wenn BRLO auch in anderen Ländern Liebhaber findet und uns Importeure ansprechen, weil sie unser Bier gerne vertreiben wollen. Aber wir haben keine gezielte Exportstrategie. Aktuell dürften circa zehn Prozent unserer Produktion ins Ausland gehen, vornehmlich nach Schweden, Österreich, Frankreich und in die Schweiz“, berichtet Katharina.
Viel haben sie noch vor, die drei vom Gleisdreieck. Wie ihre modulare Brauerei, die schnell abgebaut und andernorts wieder aufgestellt ist, sind sie gedanklich immer auf dem Sprung und werden auch in nächster Zeit mit neuen Ideen von sich hören lassen.
Fotos: BRLO