Was bewegt die gesamte Kommunikationsbranche aktuell? Welche Faktoren streuen Sand in ein bis dato geschmeidig laufendes PR-Getriebe? Im Gespräch mit Alexandra Groß bitten wir die amtierende Präsidentin der Gesellschaft der führenden PR- und Kommunikationsagenturen in Deutschland (GPRA) um eine Einschätzung, welche fünf größten Herausforderungen die Branche, Agenturen sowie Pressestellen von Unternehmen auf der Agenda haben.
An welchen Stellschrauben müssen alle ihrer Meinung nach drehen, um für die nächsten Jahre gut gerüstet zu sein? Und wir werfen mit ihr einen Blick in die nahe Zukunft, wollen wissen, wohin der Weg in der klassischen Pressearbeit, als eine der Facetten einer erfolgreichen PR-Arbeit, vermutlich gehen wird.
Fast täglich geht ein Rauschen durch den medialen Blätterwald: Traditionelle Print-Medien werden eingestellt oder mit anderen Verlagstiteln zu einem neuen verschmolzen, erscheinen in längeren Abständen oder mit verringerten Seitenzahlen, Radio- und TV-Formate sind einem stetigen (Kürzungs)Wandel unterlegen und auch den Online-Medien merkt man die Diktatur des spitzen Bleistifts der Controller an. Pressearbeit stellt nur eine von vielen Facetten der PR dar, aber auch in den anderen PR-Sparten ist nichts so sicher wie die kontinuierliche Veränderung. Als Food-PR-Agentur bewegen wir uns in einer, allgemein betrachtet, Nische mit speziellen Spielregeln und engeren Themenfeldern. Aber auch wir beobachten den Markt und sind mit unterschiedlichsten Herausforderungen konfrontiert, die eine immer höhere Flexibilität und Justierung der PR-Maßnahmen für unsere Kunden erfordern.
Die GPRA ist seit 1974 der Verband der führenden PR- und Kommunikationsagenturen Deutschlands mit Sitz in Berlin. Mit strengen Aufnahmekriterien und hohen Anforderungen an ihre Mitgliedsagenturen setzt der Verband Standards in der PR-Branche und fördert den Austausch zwischen den Mitgliedern und Meinungsbildnern. Die GPRA repräsentiert 31 Agenturen mit circa 2.800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und einem Marktanteil von 54 Prozent. Alexandra Groß steht dem Verband seit drei Jahren vor, der 2024 sein 50-jähriges Bestehen feiert. Die Diplom-Betriebswirtin ist ein PR-Profi und kann aus einem in der Industrie und Agenturwelt in Jahrzehnten gewonnenen Erfahrungsschatz schöpfen. Sie ist seit 1999 bei der Agentur Fink & Fuchs, wo sie 2011 in den Vorstand berufen wurde und die Agentur seit 2019 als Vorstandsvorsitzende leitet.
Wie hat sich die klassische Pressearbeit in den letzten fünf Jahren verändert? Welche Faktoren haben dazu geführt?
Alexandra Groß: Die KI ist hier natürlich an erster Stelle zu nennen. Sie birgt Chancen wie Risiken für Agenturen. Ich war im vergangenen Jahr auf dem internationalen PR-Kongress in Warschau, bei dem unter anderen KI-basierte Tools vorgestellt wurden, die die Agenturen in ihrem Kern treffen werden. Es gibt mittlerweile Dienstleister, die den kompletten Media-Pitch-Prozess aus einer Hand anbieten von der Identifikation der Themen, deren Recherche bis hin zum Versand an möglichst viele passende Medien. Damit wird die bisherige Standard-Leistung eines PR-Beraters, der den Prozess mit einzelnen Medien und unterschiedlichen Instrumenten wie einer Versand-Plattform durchspielt, als kompletter Mix durch ein KI-gestütztes Tool angeboten. Auf diese Weise wird nicht nur die Abwicklung des Versands bedient, sondern auch die intelligente Beratungsleistung der Agentur mithilfe von KI bewerkstelligt. Ich bin nicht überzeugt davon, aber die Diskussion steht im Raum, wo KI zukünftig die eigentliche Denkleistung eines PR-Beraters ersetzen kann und wird.
Das nächste branchenbeherrschende Thema sind Fake News und die damit verbundene Frage, wie man wahrheitsgemäße Informationen nach außen kommunizieren kann. Hier, wie ich finde, kommt auf PR- und Kommunikationsagenturen eine sehr wichtige und relevante Aufgabe zu. Als Verband gehen wir auch hier neue Wege und haben unsere Young Professionals in ein gemeinsames Projekt mit dem Journalisten-Nachwuchs gesteckt. Wir sind dazu im Austausch mit dem Deutschen Journalisten-Verband (DJV). Die Aufgabe besteht darin, von journalistischer Seite eine Kooperation ins Leben zu rufen, die sich die Frage stellt, wie man zukünftig das Erarbeiten und Kommunizieren wahrhaftiger Informationen sichern kann. Das Neue an diesem Ansatz ist, dass sich PR mit Journalismus verbündet. So soll zukünftig der Weg zu einer neuen Form der Zusammenarbeit geebnet werden, um Fake News die Stirn zu bieten. Das ist nur ein Beispiel für große Umbrüche und neue Ansätze, weil die Dynamik im Markt so groß ist und aktuell keiner weiß, wo die Reise hingeht.
Neben KI und Fake News beobachten wir auch eine Konsolidierung in der Agentur – genauso wie in der Verlagslandschaft – gekoppelt an eine Internationalisierung der Medien. Internationale Medien entdecken verstärkt den deutschsprachigen Raum für sich und gründen deutsche Ableger.
Kommen wir noch mal auf die Zusammenarbeit von PR-Agenturen und Medien zu sprechen. Was hat sich hier verändert?
Alexandra Groß: Hier bewegen sich zwei Pole immer weiter aufeinander zu. Das Kerngeschäft von PR-Agenturen ist, Journalisten zuzuarbeiten. Und das wird jetzt verstärkt angenommen. Das erste Mal, als ich die Veränderung bewusst wahrgenommen habe, war auf einem Kongress des internationalen PR-Verbands vor zwei Jahren in Straßburg. Auf einmal saßen hier Journalisten auf dem Podium und haben von ihrer täglichen Arbeit und den Herausforderungen berichtet, wie sie beispielsweise Fake News entlarven. Im Anschluss hat der internationale Verband eine Art Absichtserklärung aufgesetzt. Darin unterstreichen die Agenturen, dass wir die Arbeit der Medien gegen Missinformation und Desinformation noch intensiver unterstützen wollen.
Im Cision-Trend-Report 2024 wird die auf der Hand liegende Prognose aufgestellt, dass weniger Verlage weniger Vielfalt und mehr Mainstream zur Folge haben? Ist das eine Chance für die PR?
Alexandra Groß: Auf jeden Fall, aber wir Agenturen sind dabei gefordert, neue Wege zu gehen, um mit Journalisten in den Dialog zu treten. Ich beobachte beispielsweise, dass wir es aktuell wieder schaffen, mehr Presseveranstaltungen zu machen als noch vor ein paar Jahren, indem wir den Journalisten kleinere, exklusivere Veranstaltungsformate mit hochwertigen Inhalten anbieten. Die Bereitschaft, daran teilzunehmen, hat sich meiner Erfahrung nach seit der Pandemie wieder verstärkt. Daher bieten wir Verlagen kurze Termine zum Austausch an, mit dem Ziel, bessere Informationen für die jeweiligen Medien zu liefern.
Das Format Pressekonferenz hingegen hat ausgedient, das funktioniert vielleicht noch bei den Bundespressekonferenzen, aber nicht mehr in der Unternehmenskommunikation des Mittelstands. Unsere Kunden müssen die Veränderung mittragen, wenn sie ihre Botschaften kommunizieren wollen, und unsere Aufgabe ist es, diese so attraktiv zu gestalten, dass die Journalisten das Angebot annehmen. Und ein Rezept in der aktuellen Situation kann eben ein kleineres Format mit maximal zehn Teilnehmern sein. Als weitere neue Option bietet es sich an, zu den Verlagen zu gehen und die Redaktionen einzeln zu besuchen, also die Roadshow umzudrehen. Hier haben wir in letzter Zeit beobachtet, dass die Redaktionen dann auch anwesend sind und mit uns sprechen. Es ist natürlich ein sehr aufwendiges Vorgehen, aber einer der neuen Wege, die wir als Agenturen einschlagen und von denen wir unsere Kunden überzeugen müssen. Der Fokus liegt inzwischen auf Relations und dem Beziehungsmanagement.
Aber machen wir uns nichts vor, das Instrumentenset von Agenturen in der klassischen Pressearbeit ist seit Corona und der darauffolgenden Abwanderung ins Homeoffice wirklich eng geworden. Zudem geht die Konsolidierung in der Verlagslandschaft zulasten der Qualität. Die Aufgaben in den Redaktionen werden größer und gehören schon lange nicht mehr alle zum Kerngeschäft eines Journalisten. Die Redaktionen selbst hingegen schrumpfen personell. Hier frage ich mich dann immer, womit gibt sich der Leser zufrieden und wie lange noch? Das schnelle oberflächliche Konsumieren hat auch für eine Niveauverschiebung gesorgt. Wenn man Instagram und TikTok konsumiert, ist man dann noch aufgeschlossen für längere redaktionelle Berichte, für die man mehr Zeit aufwenden muss als ein paar Minuten?
Aber auch hier gibt es eine zweite Seite der Medaille. Gut recherchierte und aufbereitete Informationen werden nun von den Redaktionen für die tägliche Arbeit genutzt, denn für alles, was sie nicht erarbeiten müssen, sind sie dankbar. Also wiederum eine Chance für uns Agenturen. Unser Anspruch muss es nach wie vor sein, dass wir eine hohe Qualität liefern in all den Informationen, die wir der Öffentlichkeit und den Medien liefern. Hier dürfen wir nicht nachlassen. PR-Agenturen haben eine wichtige und relevante Rolle, die genau darin besteht, Qualität zu liefern und mit den Journalisten auf dieser Basis erfolgreich zusammenzuarbeiten.
Sehen Sie die Pressefreiheit, unabhängig von politischen Strömungen, in Deutschland in Gefahr?
Alexandra Groß: Ein klares und deutliches Nein. Ich sehe die Pressefreiheit in Deutschland nicht in Gefahr und kann hierzu auch keine Anzeichen entdecken. Denn dazu sind wir in Deutschland in der Medienlandschaft zu dezentral und vielfältig aufgestellt. Es gibt auf beiden Seiten Instanzen wie den Ethikrat und den Presserat, die darauf achten, dass sauber gearbeitet wird. Journalismus wird es immer geben und ich bin eine große Verfechterin davon. Lars Hinrichs, Gründer von XING, hat sich vor vielen Jahren vor die Branche gestellt und prognostiziert, dass Medien keine Zukunft mehr haben, denn die Nachricht, die man braucht, wird den Menschen finden. Der kurzfristige Aufschrei der Medienwelt war deutlich zu hören. Wobei natürlich nun alle gezwungen sind, sich neue Erlösmodelle auszudenken. Auf der anderen Seite bleibt der Kostendruck natürlich hoch.
Welche Strategie raten Sie PR-Treibenden, um auch in Zukunft die Botschaften an die Zielgruppe kommunizieren zu können? Können Eigenmedien eine Möglichkeit sein?
Alexandra Groß: Gerade im Bereich der Eigenmedien von Unternehmen sind auch schon in der Vergangenheit tolle Produkte entstanden, hochjournalistisch, breit gefächert geschrieben und neutral. Es sind ja immer Wellenbewegungen und man muss sich der veränderten Situation anpassen. Daher werden eigene Medien auch in Zukunft ein wichtiges und spannendes Feld bleiben, dem sich Kunden nicht verschließen sollten. Nicht umsonst haben Verlage eigene Abteilungen für Corporate Publishing, die sehr wirtschaftlich sind.
Und abschließend. Give me five: Welche fünf Felder sind die aktuellen Herausforderungen der PR-Branche im Bereich der klassischen Pressearbeit?
Alexandra Groß: KI, Fake News, Konsolidierung auf Agentur- und Medienseite, Internationalisierung der Verlage und damit einhergehend die schlechte Greifbarkeit der Journalisten zur Platzierung von Themen sind die aktuellen Herausforderungen. Wo wir am Ende landen, wissen wir nicht, und daher gibt es hierzu auch keine abschließende, allgemeingültige Antwort. Ich finde, dass wir als Agenturen auf jeden Fall darauf achten müssen, im Zentrum der Gestaltung zu stehen und nicht daneben nur als Zuschauer zu fungieren.
Wer sich intensiver mit Themen rund um PR und Kommunikation in guten wie in Krisenzeiten auseinandersetzen möchte, dem sei ein Blick auf unseren Blogartikel zur Krisen-PR geraten.