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Lavendel: Die Arzneipflanze des Jahres im Interview

Die Arzneipflanze des Jahres ist 2020 der Echte Lavendel. Rein farblich gesehen natürlich eine perfekte Entscheidung, aber auch aus pharmazeutischer Sicht wirklich zu Recht. Seit 1999 wird durch den interdisziplinären Studienkreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde der Universität Würzburg jährlich eine Arzneipflanze gekürt. Er möchte damit auf die Bedeutung von Pflanzen in der Medizin aufmerksam machen. Welchen pharmazeutischen Nutzen der Echte Lavendel hat und warum er die Arzneipflanze des Jahres ist, haben wir ihn direkt selbst gefragt.

Echter Lavendel, du bist in Fachkreisen bekannt als Lavandula angustifolia und einige Jahrtausende als Arzneipflanze unterwegs. Erzähle uns etwas über deine Erfolgsgeschichte.

Echter Lavendel: Ja, das kann man so sagen. Schon zu vorchristlicher Zeit schätzten die Römer mich für meinen Duft und meine heilsame Wirkung. Sie setzten mich vor allem in wohltuenden Bädern ein. Im Mittelalter wurde ich hauptsächlich in der Klostermedizin eingesetzt und gewann weiter an Bedeutung. So lernte ich auch Hildegard von Bingen kennen, die meine antiseptische und beruhigende Wirkung bestätigte – eine große Ehre für mich. Im 17. Jahrhundert galt ich in einigen Kreisen sogar als Geheimwaffe gegen die Pest, was ich hier natürlich nicht so bestätigen kann. Heutzutage werde ich meist als Mittel bei nervösen Zuständen und gegen Schlaflosigkeit angewendet. Mir macht es wirklich Freude, mit meinen wohltuenden Aromen zur Beruhigung beizutragen und den Menschen ihren Stress zu nehmen.

Der Studienkreis hat dich ausgewählt, weil du in der Geschichte vielfältig genutzt wurdest und neue Forschungsergebnisse vorliegen. Welche sind das?

Echter Lavendel: Prof. Dr. Dr. Bernhard Uehleke aus Berlin zeigte 2012 in einer Zusammenfassung mehrerer Studien, dass ich zu einer Verbesserung von Schlafstörungen mit psychischer Belastung nach 6-wöchiger Behandlung beitrage. Auch beim Thema Unruhe und bei Angstzuständen konnte ich in vielen Placebo-kontrollierten klinischen Studien überzeugen. Mich macht es sehr stolz, dass die Forschung an mir interessiert ist und 2017 von Kapser et al. und 2019 von Donelli et al. weitere Übersichtsarbeiten meine Wirksamkeit bestätigt haben.

Wie und wo genau kommst du zum Einsatz?

Echter Lavendel: Da es meine ätherischen Öle sind, die ihre Wirksamkeit verbreiten, werde ich meist in der Aromatherapie angewendet. Dabei steht immer meine beruhigende, Stress mindernde, Angst lösende und entspannende Wirkung im Vordergrund. Daher werde ich meist im psychischen Bereich eingesetzt, wie bei Stress, Ängsten, Schlaflosigkeit, posttraumatischen Störungen und Panikattacken. Neben der Aromatherapie kann man mich auch in Form von Kapseln einnehmen, aber auch in Form von therapeutisch dosierten Körperölen nutzen.

Wo findet man dich denn in der Natur?

Echter Lavendel: Ursprünglich komme ich aus der Küstenregion des Mittelmeers. Da fühle ich mich einfach an den trockenen, warmen Hängen wohl. Die Benediktiner-Mönche sorgten aber dafür, dass es mich auch nördlich der Alpen gibt. Ich bin hart im Nehmen und auch, wenn der Winter mal etwas stärker ist, lasse ich mich nicht unterkriegen. Um 1800 gab es mal einen ziemlich großen Bestand von mir bei Laubenheim zwischen Bingen und Bad Kreuznach auf dem sogenannten Lavendelberg. Den gibt es leider nicht mehr, da ich Platz für den Wein machen musste. Heute findet man mich eigentlich nur noch in Gärten und nicht mehr wild wachsend. In Deutschland gibt es nur ein kleines Anbaugebiet in der Nähe von Detmold, wo ich gehegt und gepflegt werde.

Wir wünschen dir viel Erfolg als Arzneipflanze des Jahres und vielen Dank für deine Zeit!

Natürlich hat die Farbe Lila für uns eine besondere Bedeutung.


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Autorin: Candy Sierks
Datum: 17.06.2020



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