Fakt ist, dass das Handwerk in Deutschland unter Nachwuchssorgen leidet – und ganz besonders das Bäckerhandwerk. Ein Grund für kommunikation.pur genauer hinzuhören und sich mit Persönlichkeiten der Branche zu unterhalten, die sich aktiv in der Ausbildung des Nachwuchses engagieren oder in der Lehre tätig und damit nah an den jungen Leuten, deren Beweggründen für die Berufswahl und Wünschen für die berufliche Zukunft dran sind.
Bäcker- und Konditormeister Heinz Hoffmann, Landesinnungsmeister Bayern, ist so eine Persönlichkeit. Er setzt sich seit über 20 Jahren für die Qualifizierung des Nachwuchses auf verschiedensten Ebenen ein und ist verbandspolitisch aktiv. Sein Betrieb liegt zwar in Bayern, genauer gesagt in der Landeshauptstadt München, seine Aktivitäten im Bereich Nachwuchsförderung in der Branche zeigen aber auf nationalem Terrain Wirkung. Ein Grund mehr, mit ihm die aktuelle Situation zu beleuchten und gemeinsam einen Blick in die Zukunft zu werfen. Auf die Frage nach Gründen aus seiner Sicht, die für die Nachwuchssorgen im Bäckerhandwerk verantwortlich sind, antwortet er sehr besonnen: „Diese Frage kann man nicht mit einer generellen Aussage beantworten. Ja, natürlich haben wir in der Branche mit Nachwuchssorgen zu kämpfen, aber nicht flächendenkend und nicht überall. Ich kenne viele Kollegen, die bereits auf ein, zwei Jahre im Voraus Lehrlingsverträge mit begeisterten jungen Leuten abgeschlossen haben. Ich will nicht unbedingt von Wartelisten sprechen, aber diese Kollegen haben zum einen keine Probleme, Schüler, die auf dem Weg sind, einen qualifizierten Schulabschluss zu machen, zu finden und vertraglich zu binden. Lange bevor diese ihr Abschlusszeugnis in der Hand halten. Aus dem Kreis dieser Kollegen verabschieden wir zudem kontinuierlich Lehrlinge mit besten Abschlüssen, Gewinner in landesweiten Wettbewerben, ins weiterführende Berufsleben. Aber natürlich haben wir auf der anderen Seite auch Betriebe, die nach Start des neuen Ausbildungsjahrs immer noch händeringend nach Bewerbern für viele offene Stellen in der Ausbildung suchen. Und zwar berufsbildübergreifend. Hier werden nicht nur ‚Bäcker/-innen‘ und ‚Konditor/innen‘ gebraucht, sondern auch ‚Bäckereifachverkäufer/-innen‘. Meiner Meinung nach liegen die Gründe für die aktuelle Situation darin, dass wir in erster Linie nach Bäckern suchen, uns aber nicht mit den Menschen beschäftigen, die sich bei uns für diesen Beruf bewerben. In der Ausbildung begleiten wir junge Menschen auf einem Weg in das Berufsleben, und das in einer sehr entscheidenden und prägenden Lebensphase. Ich beispielsweise suche in den Bewerbungsgesprächen immer nach der Persönlichkeit, die hinter dem Menschen steckt. Man kann nicht einfach ‚jeden‘ nehmen. Der Bewerber muss sich über den Beruf und seine Chancen im Klaren sein. Und er muss von der Persönlichkeit her zum Berufsbild passen“, appelliert Hoffmann an die eigene Zunft. Und fährt fort: „Ich möchte nicht nur fachlich qualifizierten Nachwuchs in die Berufswelt entlassen, sondern es ist mir wichtig, dass sie ihren eigenen Platz in der Branche finden. Aus diesem Grund nehmen wir unsere Lehrlinge überall mit hin, von Leistungswettbewerben bis hin zum Münchner Debütantenball. Ich will ihnen unseren Beruf schmackhaft machen und nicht nur Arbeit geben. Wenn wir mit diesem Ansatz weiterarbeiten und der Chef eine Freude am Beruf vorlebt und weitergibt, dann sind wir auf dem richtigen Weg.“
Spontan gibt es zwei Gründe, eine Berufsausbildung in der backenden Branche nicht anzustreben, auch wenn man sich als junger Mensch diesen Beruf vorstellen könnte. Erstens: Der Beruf erscheint aufgrund äußerer Gründe (Arbeitszeit, Gehalt etc.) als unattraktiv oder er scheint nicht zukunftssicher zu sein. So stellt sich das Image des Berufs in der Öffentlichkeit oft dar. Heinz Hoffmann sieht das jedoch anders: „Natürlich wirken ein, zwei Rahmenbedingungen auf den ersten Blick nicht ganz so attraktiv wie eine Ausbildung in einem Büro. Aber es ist auch nicht jeder Mensch von seinen Interessen und Anlagen für eine streng geregelte, ausschließliche Tätigkeit im Büro geeignet. Wir Bäcker müssen endlich beginnen, unsere vermeintlichen Nachteile im Berufsalltag positiv zu kommunizieren. Und zudem müssen wir die jungen Leute richtig auswählen. Nicht jeder, der sich bei mir bewirbt, ist für den Beruf geeignet, nur weil die Eltern ihm dazu geraten haben. Das ist unsere Verantwortung als Ausbilder. Wir müssen bereits im ersten Gespräch den Menschen erfassen und einschätzen, ob die Berufswahl für diesen speziellen Kandidaten die richtige ist. Wenn sie es nicht ist, dann müssen wir ihm dies ehrlich sagen und dürfen ihn nicht einfach doch anstellen, weil wir keinen anderen haben. Denn ein so begonnenes Ausbildungsverhältnis wird vermutlich scheitern und entweder den Betrieb oder den Lehrling unglücklich machen. Damit haben wir dann keinen Befürworter für unseren Berufsstand gewonnen und keinen Leistungsträger für die Zukunft ausgebildet. Wir haben einen tollen Beruf, der durch die flexiblen Arbeitszeiten und Teilzeitmodelle ideal für die Familienplanung ist. Zudem ist der Beruf durch die Fortschritte in der Technik und Technologie leichter geworden. Die Arbeitszeiten sind immer noch nicht einfach, aber durch die moderne Ofen- und Gärtechnik beispielsweise hat sich der Arbeitsbeginn bei vielen Betrieben nach hinten verlagert. Und ehrlich gesagt, sind wir längst nicht die Einzigen, die in der Nacht arbeiten. Dafür gehört der Tag auch uns“, eröffnet Heinz Hoffmann neue Perspektiven.
Aus diesen und vielen anderen Gründen ist Bäcker für den Landesinnungsmeister ein Traumberuf mit großen Jobmöglichkeiten im In- und Ausland. Wer mit einem erfolgreichen Gesellen- oder Meisterbrief als Bäcker oder Konditor ins Ausland gehen möchte, kann sich das Land und die Rahmenbedingungen fast schon aussuchen. „Made in Germany“ ist ein Qualitätskriterium für qualifizierte Bäckermeister. Und um dies zu erfüllen, hat der Landesinnungsverband in Bayern beispielsweise eine Sozialpädagogin, die Bäckermeisterin ist, in der Meisterschule in Lochham bei München, der Kaderschmiede für bayerische Bäckermeister, eingestellt. Sie krempelt als feste Mitarbeiterin und Lehrkraft derzeit den Lehrplan für die sogenannten ÜLUs (Überbetrieblichen Leistungsunterweisungen) um, um die Inhalte an die aktuellen Anforderungen anzupassen. Sie ist Ansprechpartnerin und Mittlerin für die Betriebe und die Auszubildenden; damit sieht auch sie erst den Menschen im Mittelpunkt und dann den Bäckerlehrling. Aber nicht nur in Bayern werden neue Weichen gestellt – auch in den anderen Bundesländern und in der Bundesfachschule in Weinheim werden die jungen Leute gefordert und gefördert und haben auch nach Erlangen des Meisterbriefs vielfältige Möglichkeiten, sich im Beruf und der Personalführung weiterzubilden.