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Brotkrümel: Frisches Brot verursacht Bauchweh

Als Oecotrophologin und Brot-Sommelière nehme ich in unserer Kolumne Brotkrümel Ernährungsmythen über Brot unter die Lupe. Jeder, der schon einmal selbst Brot gebacken hat, kennt ihn: diesen unwiderstehlichen Duft von Brot, das gerade im Ofen aufgeht. Wie er sich ganz langsam in der Wohnung ausbreitet und explodiert, wenn man die Ofentür öffnet. Und dann diese Ungeduld, wenn der Laib noch abkühlen muss, bevor man ihn anschneiden kann, um auf einer noch warmen Scheibe ein Stück salzige Butter schmelzen zu lassen, hineinzubeißen und die kräftigen Aromen und unterschiedlichen Texturen mit geschlossenen Augen und einem beglückten Seufzen zu genießen. Aber halt! Noch bevor man das Sägemesser zücken kann, schießen einem Omas warnende Worte durch den Kopf: „Frisches Brot macht Bauchweh!“ Verdammt. Aber wie lange gilt denn Brot als „frisch“, und ab wann kann man es beschwerdefrei zu sich nehmen? Und … stimmt das mit dem Bauchweh überhaupt?

Ich möchte meiner Oma nichts unterstellen. Vielleicht war sie wirklich der Meinung, dass frisches Brot Bauchschmerzen verursacht, weil die Hefe im Magen weitergärt oder Ähnliches. Aber das ist natürlich Quatsch, die Hefe wird beim Backen inaktiv. Für die Entstehung des Mythos gibt es eine ganz andere Theorie, die auf der Lebensmittelknappheit in den 1930er- und 1940er-Jahren beruht. Zu dieser Zeit war es verboten, Brot am Tag seiner Herstellung zu verkaufen. Vermutlich deswegen, weil frisch gebackenes Brot eben so verführerisch duftet und wahnsinnig lecker ist und man schneller und mehr davon essen kann als von einem Brot, das schon etwas älter ist und mehr Kauarbeit erfordert. Mit diesem Verkaufsverbot sollten also die Getreidevorräte geschont werden, und der Trick scheint sich in die privaten Haushalte eingeschlichen zu haben, wo Mütter ihre Kinder schlicht mit der Begründung abspeisten, frisches Brot mache Bauchweh. Nun gut: Wenn man auf leeren Magen hastig eine Menge schlecht gekautes Essen hinunterschlingt, dann kann das tatsächlich Bauchweh verursachen. Dafür kann aber das frisch gebackte Brot nichts. Das heißt doch, irgendwie schon, weil es halt so gut schmeckt. Diesen Vorwurf muss sich das Brot gefallen lassen. Vielleicht haben unsere Omas also doch nicht gelogen, vielleicht beruhte ihre Warnung auf tatsächlichen Erfahrungswerten. Wer weiß. Ein frisches Brot in aller Ruhe und in Maßen zu genießen – das verursacht jedenfalls kein Bauchweh, sondern macht glücklich.

Wer noch weitere Fragen rund um ernährungswissenschaftliche Aspekte im Hinblick auf Brot hat, die in der Kolumne mal besprochen werden sollten, kann diese gern an branchentreff@kommunikationpur.com schicken.

Dieser Beitrag erschien erstmalig im BÄKO-magazin.

Ist Müsli eigentlich gesünder als Brot? Das könnt ihr hier nachlesen.

 


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Datum: 10.03.2020



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