Im Food Report 2023 analysiert Hanni Rützler, was mit dem Begriff „Fusion“ im Essalltag von Konsumierenden gemeint ist und welche Einflussfaktoren diesen Trend steuern. Zudem leitet sie daraus die Folgen für gastronomische Betriebe sowie Akteure der Lebensmittelwirtschaft ab.
Die neue Lust am Fusionieren
Früher war Fusion Food vor allem in der Spitzengastronomie ein angesagter Trend, der sich durch die Inspiration fernöstlicher Küchen ausgezeichnet hat. Dabei wurden meist klassische Gerichte mit ungewöhnlichen oder exotischen Zutaten kombiniert. Heute wird mit Fusionieren das kreative Experimentieren mit unterschiedlichsten Zutaten, Zubereitungsarten und Küchenstilen gemeint. Unser kulinarischer Alltag wird zunehmend globaler und das zeigt sich nicht nur im Angebot der Supermärkte, welche heute internationale Spezialitäten im Standardsortiment führen, sondern auch beim Angebot von Lieferdiensten und auf diversen Social-Media-Plattformen und damit nicht zuletzt auch auf unseren Speiseplänen und Tellern, wo sich regelmäßig Pizza, Burger, Falafel & Co abwechseln.
Internationale Speisen laufen heimischen Gerichten den Rang ab
Weltweit ist zu beobachten, dass sich die Speisepläne der Menschen immer internationaler gestalten. Besonders Deutschland ist hierbei ganz vorne mit dabei. Dies hängt vermutlich mit unserer Leidenschaft für Reisen und unserer Offenheit in Bezug auf internationale Küchen zusammen, aber auch, weil die deutsche Küche im Vergleich, beispielsweise zu Frankreich oder Italien, keine klassisch-traditionelle Hochküche aufweisen kann. Zumal in Deutschland auch nur gut ein Drittel der Restaurants heimische Speisen anbietet. In anderen Ländern, wie Italien oder der Türkei, sind es über 70 Prozent. Auch ein Blick auf die Bestellungen bei Essenslieferdiensten bestätigt den Trend, dass hierzulande die am meisten bestellten Gerichte nicht heimischer Rezeptur sind, sondern aus ausländischen Küchen stammen. Eine Auswertung der Bestellungen bei Lieferando im Jahr 2021 zeigt, dass italienische Gerichte am beliebtesten waren, gefolgt von Speisen der amerikanischen, japanischen, chinesischen und türkischen Küche. Aber auch Speisen aus der levantinischen Küche waren extrem gefragt.
Der Einfluss von Essenslieferdiensten
Food-Lieferdienste erfreuen sich schon lange großer Beliebtheit, aber durch die Lockdowns wurde ihr Stellenwert noch weiter erhöht. Sie sind heute dank benutzerfreundlicher Apps und einem effizienten Netzwerk an Fahrern nicht mehr aus der Gastronomielandschaft wegzudenken und beeinflussen diese stark. Die Kundschaft der Lieferdienste ist mehrheitlich jünger als der Durchschnitt der Bevölkerung und weist viele Veganer, Vegetarier und Flexitarier auf, was sich in Zukunft auf die angebotenen Speisen auswirken wird. Schon 2021 lagen die Bestellzahlen bei Lieferando für vegane und vegetarische Gerichte um 75 Prozent höher als im Jahr zuvor und dieser Trend wird sich weiter fortsetzen. Interessant ist, dass vor allem solche Gerichte äußerst angesagt sind, die sich unkompliziert an die individuellen Präferenzen adaptieren lassen. Beispielsweise bei Pizza, Burger oder Bowls kann einfach der Belag oder die Füllung ausgetauscht werden und so wird das Gericht zur Personal Fusion.
Der starke Einfluss sozialer Medien auf unseren Essalltag
Social Media Accounts, egal auf welcher Plattform, beeinflussen das Leben und Handeln ihrer Followerschaft in den unterschiedlichsten Bereichen. DIY-Accounts regen zum Basteln, Bauen und Kreativwerden an, Accounts mit der Spezialisierung auf Content rund um Finanzen zeigen neue Möglichkeiten des Geldanlegens auf und Food-Blogger verwöhnen ihre Follower mit leckeren Rezeptideen. Letzteres boomt vor allem auf dem beliebten Videoportal TikTok, wo sich bevorzugt das junge Publikum tummelt. Hier lassen Hobbyköche und -bäcker ihrer Kreativität freien Lauf und produzieren nonstop kurze Rezeptvideos mit ausgefallenen Kreationen wie „Baked Feta Pasta“, „Chicken Tikka Tacos“ oder „Pancake Cereal“, die teils millionenfache Klicks erhalten. Gerichte mit ungewöhnlichen Zutatenkombinationen und in ganz neuer Form kommen dabei besonders gut an. Schöner Nebeneffekt: Junge Menschen, die mit Kochen bisher nichts am Hut hatten und es zu Hause nie gelernt haben, werden durch die beliebten Kochvideos beeinflusst und somit bekommt der eine oder andere Lust, selbst einmal den Kochlöffel zu schwingen. Auch Handel und Gastronomie bleiben von diesem Hype nicht unberührt – so sorgte das äußerst beliebte und millionenfach geteilte Rezept „Baked Feta Pasta“ für einen Anstieg der Verkäufe von Fetakäse in der ganzen Welt und hat es in den USA sogar schon auf Speisekarten von Restaurants geschafft. Dass die sozialen Medien unsere Esskultur beeinflussen, bestätigt auch eine Studie aus dem Jahr 2020. Diese zeigt, dass Menschen vermehrt soziale Medien nutzen, um sich Inspiration zur Speisengestaltung zu holen. YouTube, TikTok & Co sind zu einer starken Konkurrenz für die guten alten Kochbücher geworden und dienen quasi als digitale Kochbücher. Durch die vielen internationalen Gerichte, die es dort zu sehen gibt, ist vor allem die junge Generation viel aufgeschlossener gegenüber modernen Fusionskreationen, welche zukünftig die Esskultur noch stärker beeinflussen werden.
Fusion schlägt Tradition
Auf der einen Seite legen Konsumierende immer mehr Wert auf regionale Produkte, aber auf der anderen Seite werden die Speisen immer kreativer, globaler und internationaler. Traditionelle Gerichte werden zwar nicht vollkommen verschwinden, erhalten aber sozusagen ein Upgrade, in dem verschiedene Zutaten und Zubereitungsarten miteinander fusionieren. Somit wird die Zuordnung zu einer bestimmten Länderküche immer schwammiger. Zudem machen es Food-Lieferdienste mit der flexiblen Zusammenstellung von Speisen und dem Austauschen von Zutaten möglich, dass klassische Gerichte neu interpretiert werden. Nicht zuletzt sorgen das Internet und die verschiedenen Social-Media-Plattformen für frischen Wind beim Einkaufs-, Koch- und Ernährungsverhalten der Menschen und werden die Esskultur in den kommenden Jahren noch stärker beeinflussen. Auch die Gastronomie sowie die verschiedenen Akteure der Lebensmittelproduktion und des Handels werden an diesem Trend nicht vorbeikommen und können sich in ihrer Angebotsgestaltung daran orientieren.
Noch mehr interessante Fakten und Food Trends aus dem Food Report 2023 findet ihr hier.