Sisu, bitte was?? Nein, es handelt sich hierbei nicht um einen amüsanten Tippfehler. Kurz gesagt, beschreibt „die Sisu“ mit einem Wort eine (angeblich) nur der finnischen Bevölkerung eigene mentale Eigenschaft. Bei meiner Recherche nach der korrekten Bedeutung des Begriffes fallen mir immer wieder die Wörter Ausdauer, Beharrlichkeit, Mumm, Kraft und Unnachgiebigkeit, insbesondere in scheinbar aussichtslosen Situationen, ins Auge. Jedoch scheint für alle Länder außerhalb Finnlands Sisu nahezu unübersetzbar zu sein, da es keinen Begriff gibt, der auch nur annähernd exakt wiedergeben könnte, was die Finnen darunter verstehen.
Mythos oder Wahrheit: Die Entstehung der Sisu
Zum ersten Mal tauchte der Begriff im 16. Jahrhundert im Zusammenhang mit Mikael Agricola auf. Agricola, Bibelübersetzer und erster finnischsprachiger Literat, verwendete Sisu, um damit das Innerste des Menschen, seinen Charakter, auszudrücken. Der Sprachforscher Gustaf Renvall übersetzte Sisu eher negativ und verstand es als „Bosheit“ und „Hass“. Mit der Zeit entwickelte sich die Bedeutung des Begriffs von „Erbarmungslosigkeit“ und „Rücksichtslosigkeit“ über „Mut“ schließlich hin zu „Ausdauer“ und „Zähigkeit“. Es dauerte noch bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts, bis die Sisu immer mehr als mentale Eigenschaft eingeordnet wurde, die speziell die Finnen charakterisieren soll.
Dass das nordeuropäische Volk insbesondere für sein Durchhaltevermögen bekannt ist, ist nicht zuletzt auch der Tatsache geschuldet, dass die meisten Finnen bis weit in das 20. Jahrhundert hinein in Armut auf dem Land lebten. Der Großteil der Bevölkerung war in der Landwirtschaft tätig; es gab nicht viel, und die Dinge, die man zum Leben brauchte, produzierte man selbst. Erst in den 60er-Jahren setzte in Finnland die Urbanisierung ein. Die Devise lautete bereits damals: nicht auf- oder nachgeben – egal wie schwierig und hoffnungslos eine Situation erscheinen mag. So schafften es die Finnen auch in beschwerlichen Zeiten, ihre nationale Identität und Kultur zu bewahren. Mit Sisu entstand ein nationaler Mythos, der bis heute gewissenhaft und, ganz Sisu, ausdauernd gepflegt wird.
Auf die innere Einstellung kommt es an
Sisu ist in Finnland allgegenwärtig. Sie tritt immer dann in Erscheinung, wenn Finnen Herausforderungen begegnen oder sich alltäglichen Problemen stellen (müssen). Es ist erwiesen, dass eine optimistische Lebenseinstellung die Gesundheit fördert. Menschen, die es schaffen, trotz herber Rückschläge ihre Lebensfreude zu bewahren, können dadurch ihre körperliche Verfassung positiv beeinflussen. So trägt auch Sisu zum körperlichen und geistigen Wohlbefinden bei, und bereits Kinder bekommen in der Erziehung diese mentale Stärke von ihren Eltern vermittelt und verinnerlichen sie.
Gelten die Deutschen allgemein als ein eher skeptisches Volk, so zeichnet die Finnen ein stärkeres Vertrauen gegenüber anderen Menschen und auch dem Staat gegenüber aus. Der Glaube an andere und an sich selbst, gepaart mit einer positiven Lebenseinstellung, macht die Finnen zu einem sehr widerstandsfähigen Volk. Nicht ohne Grund leben in Finnland, laut des aktuellen “Weltglücksreports“, die glücklichsten Menschen der Welt – trotz der langen dunklen und eisigen Winter. Finnen nehmen die Realität an und akzeptieren sie, sie arbeiten nicht dagegen. Und dabei haben sie stets im Hinterkopf, dass mit der richtigen Einstellung fast alles möglich ist.
Zum Schluss noch ein kleiner Fun Fact:
Was Finnen oft richtig genießen, ist das Alleinsein. Es existiert sogar ein Wort für das Gefühl, wenn man sich abends allein und in Unterwäsche (ja, Sie lesen richtig) zu Hause einen Drink genehmigt – ohne dabei den Druck zu verspüren, unbedingt ausgehen zu müssen: „Kalsarikännit“. Es ist quasi das finnische Pendant zum Begriff „Hygge“, der seit einigen Jahren unwiderruflich mit den Dänen verbunden ist und so viel bedeutet wie „Wohlbefinden“.
Für alle, die guten Zuspruch und den Glauben an das Positive in geschriebener Form bevorzugen, empfehlen wir die Lektüre unseres Blogbeitrags über den Glückskeks.