Heute fällt der Startschuss für ein nur alle zwei Jahre stattfindendes Megaevent der internationalen Bierbranche, dem World Beer Cup – Vorbild für viele Nachahmer und Wettbewerb der Superlative. An drei Tagen werden in Nashville/Tennessee über 8.000 Biere durch die Kehlen eines fast 300-köpfigen Expertengremiums rinnen; die Jury entscheidet darüber, welche Brauerei mit ihrer Bierspezialität in den folgenden beiden Jahren mit der Auszeichnung weltbestes Bier einer bestimmten Kategorie werben darf. Welche Vorarbeiten geleistet, welche Entscheidungen getroffen und welche Hürden bewältigt werden müssen, hat uns Chris Swersey im Vorfeld berichtet. Er ist der Mann, der alle Fäden in der Hand hält und für eine kontinuierliche Professionalisierung des Wettbewerbs verantwortlich ist. Der Wettbewerb ist mittlerweile zu einer organisatorischen und logistischen Meisterleistung mutiert. Es müssen unzählige Juroren ausgewählt, eingeladen und deren Verkostungseinsätze vor Ort koordiniert werden. Zudem erfordert die Erfassung und Codierung der eingesendeten Biere höchste Konzentration und Organisationsgeschick des Teams und wird zwischenzeitlich durch eigene Softwareprogramme gestemmt. Denn mit schlichten Exceltabellen und netten, persönlich ausgesprochenen Worten ist das schon lange nicht mehr zu regeln.
Chris, ihr habt mit dem World Beer Cup als Vorreiter einen Wettbewerb vor vielen Jahren an den Start gebracht, als das Thema noch sehr neu war, und damit Wege aufgezeigt, tollen Bieren eine ausgezeichnete Plattform zu bieten. Euer Erfolg gibt euch recht. Aber wie lange kann eine kontinuierliche Steigerung der Zahl an eingereichten Bieren noch weitergehen? Ist eine Grenze an Einreichungen in Sicht, an der diese nicht mehr zu handeln sind?
Chris Swersey: Nun, das ist eine wahrlich sehr gute Frage. Vor vielen Jahren hätte ich mir nicht vorstellen können, dass und auf welche Weise wir einen Wettbewerb mit 4.000 Einreichungen durchführen sollen; jetzt haben wir sogar diese Zahl verdoppelt. Ich habe wirklich keine Ahnung, wo die Obergrenze liegen könnte. Ich bin mir aber sicher, wir werden sie rechtzeitig erkennen. Die limitierenden Faktoren werden wahrscheinlich die am Veranstaltungsort zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten sein, die Sortierung der Einreichungen, die Rekrutierung von Freiwilligen oder ein anderer operativer Faktor, den wir aus irgendeinem Grund nicht überwinden können.
Ist es dir überhaupt noch möglich, alle Judges persönlich zu kennen? Welche Nachweise müssen sie liefern, um in den Pool der Judges zu kommen?
Chris Swersey: Nein, und das macht mich schon unglücklich. Aber ich gebe mein Bestes, sie während der Einführungsveranstaltung sowie der Verkostungsrunden zu treffen und ein paar Worte mit ihnen zu wechseln. Unser Bewerbungsprozess setzt ein hohes Maß an Kompetenz und Professionalität der Jurymitglieder voraus, damit sie zugelassen werden. Sie müssen nicht nur eine einmal abgeschlossene, anerkannte sensorische Ausbildung vorweisen, sondern auch belegen, dass sie sich kontinuierlich sensorisch auf dem Laufenden halten. Weiterhin müssen sie bei der Bewerbung drei Referenzen von Kollegen einreichen, die sich bereits seit mehreren Jahren im Verkosterpool bewährt haben. Diese müssen die sensorischen Fähigkeiten des neuen potenziellen Jurymitglieds, sein umfassendes Wissen über Bier und Bierstile und insbesondere seine Teamfähigkeit bestätigen können. Eine weitere Maßnahme zur Sicherung des Qualitätslevels ist die Auswertung von Verkostungsnotizen, die ich im Nachgang des Wettbewerbs vornehme. So stelle ich sicher, dass alle einen Job auf hohem Niveau machen und nicht nur am Tisch sitzen. Jedes Jahr fallen auf diese Weise einige Richter durchs Raster, die in den kommenden Jahren nicht mehr eingeladen werden.
Wie muss man sich die Monate vor einem solchen Megaevent der Branche vorstellen?
Chris Swersey: Alles beginnt mit der Anzahl der Eingänge, mit denen wir laut Anmeldung rechnen müssen. Davon hängen alle weiteren Planungsschritte ab: der Platz im Hotel, den wir für die Verkostungsrunden und die Hintergrundarbeiten benötigen, die Anzahl an freiwilligen Helfern, Unterkunft, Verpflegung usw. Nur mit diesen Zahlen auf dem Papier können wir eine gute Standortentscheidung treffen, normalerweise vier bis acht Jahre im Voraus; trotz aller Planung handelt es sich dabei eigentlich um einen Blick in die Kristallkugel. Die nächsten Schritte umfassen die Erstellung der Bierstile für die Veranstaltung, basierend auf aktuellen Verbrauchertrends und neuen Strömungen auf dem Biermarkt. Zuletzt, wenn der Wettbewerb immer näher rückt, verwende ich die Anzahl der Einträge in jeder Kategorie, um die tatsächlichen Bewertungstabellen zu erstellen, und wir platzieren die passenden Judges an den Tischen, basierend auf ihrer Expertise und ihren Wunschvorgaben, die bei der Anmeldung abgefragt werden. Zudem ist zu berücksichtigen, dass Jurymitglieder, die eigene Biere eingesendet haben, nicht in diesen Kategorien eingesetzt werden.
Die Planung umfasst auch unseren Sortiervorgang der eingehenden Verkostungsproben, ein enormes Unterfangen, das Platz und Tausende von freiwilligen Arbeitsstunden erfordert, und den Rekrutierungsprozess für Freiwillige. Weniger offensichtlich, aber genauso kritisch sind die Mahlzeiten, die Unterkunft, der Umgang mit lokalen Vorschriften für alkoholische Getränke und zahllose andere Faktoren, die insgesamt Tausende von Arbeitsstunden erfordern. Unsere Planung beginnt also viele Jahre vor einem Wettbewerb, aber immer sind die letzten zwölf Monate vor der Veranstaltung am hektischsten.
An gefühlt jedem Ende der Welt sind in den vergangenen drei Jahren neue Wettbewerbe wie Pilze aus dem Boden geschossen. Wie beurteilst du die Entwicklung? Steht ihr alle in Konkurrenz um die Gunst der Brauereien, die ihre Biere ja nicht überall einsenden können und daher eine Auswahl treffen müssen?
Chris Swersey: Heutige Biertrinker haben Zugang zu mehr Marken als je zuvor; wir leben wirklich in einem goldenen Zeitalter des Bieres. Bierliebhaber wollen Führung in der Frage: „Was ist das beste Bier?“, und Wettbewerbe können diese Führung als Entscheidungsgrundlage für den Kauf von Bierspezialitäten bieten. Nicht alle Wettbewerbe werden jedoch gleich konzipiert. Wir haben uns entschieden, keine Mühen oder Kosten zu scheuen, um den professionellsten, anspruchsvollsten und bestbetreuten Wettbewerb weltweit zu schaffen, mit einer sehr geringen Chance auf Erfolg und Anerkennung für jeden der teilnehmenden Brauer. Brauer wissen, dass es extrem schwierig ist, einen World Beer Cup zu gewinnen; dies ist mittlerweile auch bei den Verbrauchern angekommen. Brauer machen die Entscheidung darüber, in welche Wettbewerbe sie ihre Biere einsenden, von verschiedenen Faktoren abhängig: vom Ruf und dem Ansehen des Wettbewerbs, von den Teilnahmekosten der Einsendungen, den Frachtbedingungen und davon, auf welche Weise die Medaillenbekanntgabe auf deren nationalem Markt erfolgt.
Was war deine bisher größte Herausforderung als Verantwortlicher für den WBC?
Chris Swersey: Ohne Frage besteht die größte Herausforderung darin, geschultes und kompetentes Personal zu finden. Der WBC findet alle zwei Jahre an unterschiedlichen Austragungsorten statt, womit wir im Grunde genommen immer wieder von vorne beginnen. Im Laufe der Zeit haben wir jedoch gelernt, eine gewisse Routine in der Planung zu entwickeln und mit lokalen Unterstützern zu arbeiten, die die Rekrutierungen durchführen. Wie gesagt, besteht der Mitarbeiterstab des WBC zu gut einem Drittel aus erfahrenen Freiwilligen, die ihr Wissen und ihre Erfahrung mit den zusätzlichen Freiwilligen, die wir vor Ort rekrutieren, teilen und so für ein kontinuierlich hohes Qualitätslevel sorgen.
Lust auf mehr bekommen? Spannende Einsichten in andere internationale Wettbewerbe gibt es in unserer Rubrik reportage.pur.