Unter dem #wenigerverschwenden verkündet Südtirol im Herbst 2021 den greifbaren Erfolg der längerfristig angelegten Kampagne. Die Verantwortlichen können mit 12 Prozent weniger Lebensmittelverschwendung in 2020 im Vergleich zum Vorjahr punkten. Wer im September in Südtirol unterwegs war und Radio gehört hat, kam um die Meldung nicht herum. Eines der Projekte, das sicherlich dazu beigetragen hat, ist das vom Bozener Batzen Bräu zusammen mit anderen kleinen, kreativen Brauereien aus Südtirol initiierte Brotbier-Projekt Bröseljäger. Der Name ist Programm und könnte nicht treffender gewählt worden sein, denn er macht neugierig und bringt jeden Bierbegeisterten zum Schmunzeln. Als Food-PR-Agentur wollten wir der Sache auf den Grund gehen und wissen, wie das Projekt zustande gekommen ist. Gemeinsam mit seinem Braumeister Christian Pichler, von Freunden auch Pitsch genannt, hat Batzen Bräu-Inhaber Robert Widmann, landläufig als Bobo bekannt, sich Zeit genommen und gerne unsere Fragen beantwortet.
Bobo, wie seid ihr auf die Idee gekommen, ein Brotbier zu brauen?
Bobo: Brot ist neben Bier schon immer ein wichtiger Ankerpunkt in meinem Leben gewesen. Was gibt es Wunderbareres, neben einem frisch gezapften Bier natürlich, als ein Brot, das warm und knusprig aus dem Ofen kommt? In unserer Küche vom Batzenhäusl experimentieren wir mit Sauerteig und backen das Brot für unsere Gäste selbst. Daher schwebte das Thema Bier und Brot als Idee schon geraume Zeit über unserer Brauerei. Der eigentliche Anstoß, die Initialzündung gewissermaßen, kann aber dann doch von außerhalb. Batzen Bräu wurde vor einiger Zeit vom Verein Volontarius kontaktiert, der verschiedene Projekte vorantreibt, bei denen es um die Verwendung nicht verkaufter Lebensmittel beziehungsweise das Verhindern der Verschwendung geht. Der Verein fragte, ob wir Interesse hätten und es uns technologisch vorstellen könnten, aus dem nicht verkauften Brot verschiedener Bäckereien ein Bier zu brauen. Wer uns kennt, weiß, dass wir uns für jede neue und sei sie auf den ersten Blick auch noch so verrückte Idee schnell begeistern lassen. Daher stimmten wir auch dieser Anfrage gleich zu und so entstand unser Bröseljäger-Bier. Von jeder verkauften Flasche gehen 0,15 € an den Verein Volontarius, um soziale Projekt zu finanzieren. Auch das war uns wichtig und ist in der Summe für uns ein wunderbar rundes Projekt, das nicht nur Genuss verspricht, sondern auch noch Gutes bewirkt. Zudem war es in unseren Augen damals ein Projekt, das Potenzial hatte, in ganz Südtirol Gehör zu finden und das wir zusammen mit anderen Brauereien als Gemeinschaftsaktion zum Laufen bringen konnten.
Warum wolltet ihr mehr Brauereien einbinden? Was waren dann die nächsten Schritte?
Bobo: Bei solchen Projekten ist es wichtig, möglichst breit aufgestellt zu sein, möglichst viele Mitstreiter zu gewinnen, um somit mehr Sichtbarkeit für das übergeordnete Thema Lebensmittelverschwendung zu erlangen und damit mehr bewegen zu können. Mit solchen Projekten, die sozial und nachhaltig sind, gelangt man in die Medien und erreicht nach wenigen Monaten schon große Aufmerksamkeit. Wir haben für das Projekt viele Berichte in lokalen Zeitungen bis hin zu La Repubblica, einer der großen italienischen Tageszeitungen, lancieren können. Und dann zog es noch größere Kreise. Wir durften als Ergebnis der Veröffentlichungen bei uns im Biergarten einen Empfang mit unserem Landeshauptmann und der italienischen Abgeordneten Gada, die Gesetzesinitiativen in Bezug auf überschüssige Lebensmittel vorantreibt, ausrichten mit zusätzlichem Medienrummel. Diese Aufmerksamkeit für unser Projekt hat neue Initiativen angestoßen und bringt viele Menschen zum Nachdenken über einen nachhaltigeren und sinnvollen Umgang mit Lebensmitteln.
War es einfach, die anderen Brauereien für das Projekt zu gewinnen?
Pitsch: Wir hatten erst kürzlich eine weitere Sitzung der Handwerksbrauereien Südtirols, wo das Projekt nochmals genauer vorgestellt wurde. Die Brauereien zeigen reges Interesse daran. Es ist nämlich wichtig, dass sich möglichst viele Brauereien am Projekt beteiligen, um die doch beachtlichen Brotmengen, die der Verein Volontarius zusammenträgt und auch für uns Brauer sortiert, zu verarbeiten. Eine Brauerei allein kann den Sudrhythmus nicht aufrechtherhalten und somit müssen die Brauereien die Sude untereinander abstimmen.
Welche Herausforderungen hattet ihr als Brauer, mit Restbrot zu brauen? Gerade der Salzgehalt im Brot ist ja ein Thema, das den Geschmack des Bieres (negativ) beeinflussen kann, aber Salz ist natürlich beim Brot entscheidend und kann trotz Rufe der Politik nicht unter einen bestimmten Prozentsatz gedrückt werden, da es beim Backprozess einen technologischen Einfluss hat und nicht nur eine geschmacksbestimmende Komponente ist?
Pitsch: Natürlich ist Salz ein herausforderndes Thema, da Bier sehr schnell versalzen sein kann. Somit ist der Malzkörper, den wir dem Bier verleihen, von großer Bedeutung, um mit der Süße des Malzes doch in eine Balance zum Salzgehalt zu kommen. Zudem spielt ein niederer pH-Wert eine wichtige Rolle, um die Wahrnehmung des Salzes positiv zu beeinflussen. Das Ausgangsbrot, in unserem Fall ausschließlich Südtiroler Schwarzbrot, ist für all das natürlich entscheidend und beeinflusst das Aromaprofil des Brotbiers maßgeblich. Es eignet sich sehr gut, da es nur mild und verhalten gewürzt ist.
Habt ihr euch im Vorfeld mit Kollegen über die Ländergrenzen hinaus besprochen? Europaweit gibt es einige Projekte in diese Richtung. So hat Gusswerk mit der Spar Österreich ein nationales Projekt mit großer Medienwirksamkeit umgesetzt und auch in Belgien gibt es Vorreiter. In Deutschland ist das Thema nicht einfach zu handeln, da durch den Einsatz von Restbrot das Thema Reinheitsgebot belastet wird, was aber weder Brauer noch Bäcker davon abhält, Projekte zu launchen. Als Brot- und Biersommelier finde ich das natürlich hochspannend.
Pitsch: Ja wir kannten das Projekt und Brotbier der österreichischen Brauerei Gusswerk bereits und auch andere Brotbiere. Auch haben wir uns nach Traditionen und Rezepten umgesehen, wie beispielsweise das aus Brot gebraute Kvass. Uns war von Beginn an klar, dass es eine große Herausforderung werden wird, ein konstantes und gut trinkbares Bier zu brauen. Wir erhalten nämlich immer eine in der Zusammensetzung etwas unterschiedliche Brotsammlung geliefert, die wir zu einem möglichst immer gleich schmeckenden oder zumindest gut bekömmlichen Bier verarbeiten müssen. Wir in Südtirol haben aber in diesem Fall den Vorteil, nicht dem deutschen Reinheitsgebot verpflichtet zu sein und somit bei einigen Aspekten etwas freier agieren zu können.
Welche Zielsetzung habt ihr euch bei dem Projekt gesetzt?
Bobo: Unsere Zielsetzungen waren mehrere. Erstens selbstverständlich, immer ein konstant gutes Brotbier zu brauen. Zweitens hat uns der Gedanke, der Verschwendung von Lebensmitteln mit so einem Projekt entgegenzuwirken, von Beginn an fasziniert und überzeugt. Drittens wollen wir das Bier so weit wie möglich vertreiben und bekannt machen. Hier haben wir bereits mit der COOP (Lebensmittelgroßhändler) in Bozen und einigen Bäckereien Abnehmer gefunden. Viertens möchten wir ein Südtiroler Brotbier fix als Südtiroler Bierstil etablieren, was sicher sehr ehrgeizig ist, aber auch sehr spannend sein könnte.
Wie wird das Produkt von Verbraucherinnen und Verbrauchern angenommen?
Pitsch: Die ersten Sude haben sich sehr gut verkauft und daher sind wir zurzeit ausverkauft. Der neue Bröseljäger wird aber nicht mehr allzu lange auf sich warten lassen, da ich den nächsten Sud bereits eingebraut habe.
Wie muss ich mir die Umsetzung des Gesamtprojekts vorstellen? Brauen alle teilnehmenden Brauereien nach dem gleichen Rezept oder bringt jede noch eigene Nuancen ein?
Pitsch: Nein, da wir ja alle Handwerksbrauer mit ganz eigenen Konzepten und Ansätzen sind, soll doch jeder im Rahmen seiner Vorstellungen ein Bier machen. Selbstverständlich stecken wir dabei gewisse Eigenschaften ab. So soll beim Bröseljäger die Farbe oder der Alkoholgehalt überall ähnlich sein. Jeder Brauerei steht es aber frei, zusätzlich zum Bröseljäger, eigene neue Brotbiere zu entwickeln und diese auch zu vermarkten.
Gibt es eine übergeordnete Vermarktung?
Bobo: Ja, wir vermarkten das Bier bereits zusammen mit dem Verein Volontarius und hoffentlich schon bald mit den Südtiroler Bäckern. Auch sollen dann alle Südtiroler Handwerksbrauereien an einer ganzheitlichen Vermarktung beteiligt werden.
Wird das Projekt von offiziellen Stellen Südtirols gesponsert?
Bobo: Nein, wir werden dafür nicht gesponsert, der Verein Volontarius wird aber sehr wohl von der öffentlichen Hand gefördert.
Ist das ein Projekt, das die Lebensmittelverschwendung eindämmen kann?
Bobo: Sicher können wir einen kleinen Beitrag leisten, Menschen zu sensibilisieren und über Lebensmittelverschwendung nachzudenken. Brot zu verwenden, das nicht verkauft wurde, ist, glauben wir, ein guter Ansatz dazu. Es ist auch nicht ganz leicht, immer das gleiche Bier zu brauen. Wir sind aber Handwerker und somit können wir flexibler auf unterschiedliche Brotlieferungen reagieren, als dies Großbrauereien könnten. Wir müssen den Kunden nur gut vermitteln, wie diese Biere zustande kommen, dann akzeptieren sie auch leichte Unterschiede von Sud zu Sud.
Vielen Dank für eure Zeit und den Einblick in die Entstehungsgeschichte des Bröseljägers.
Ihr wollt mehr über Bobo und Pitsch wissen und welche Geschichte hinter Batzen Bräu steht? Dann müsst ihr unbedingt das Interview mit ihnen lesen, das bei einem früheren Besuch in Bozen entstanden ist.