Wie sieht die Ernährung der Zukunft aus? Welche Szenarien gibt es und wie hat die Corona-Pandemie die Ernährungsbranche verändert? Antworten auf diese Fragen sind sowohl für die Lebensmittelwirtschaft als auch die Lebensmittelwissenschaft spannend und wichtig.
Im Jahr 2017 hat ein 17-köpfiges Expertenteam 21 relevante Schlüsselfaktoren identifiziert, die sich mit der Zukunft der Ernährungswirtschaft befassen, und daraus acht Szenarien entwickelt, die eine Zukunftslandkarte abbilden. Aufgrund der schweren Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die deutsche Land- und Ernährungswirtschaft wurden diese Szenarien im Jahr 2020 auf den Prüfstand gestellt und neue Szenarien vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie entwickelt. Vier Jahre später blicken wir auf diese Szenarien zurück und werfen einen Blick in die Zukunft.
Post-Corona Szenarien
Das Cluster Ernährung am Kompetenzzentrum für Ernährung (KErn) hat zusammen mit verschiedenen Expertinnen und Experten aus der Ernährungsbranche sieben Post-Corona-Szenarien entwickelt:
- Schnelle Überwindung der Corona-Krise – globale, günstige Lebensmittel
- Langfristige Absicherung globaler Lieferketten sowie günstiger und vorverarbeiteter Lebensmittel
- Versorgungskrise mit Nationalisierung und allgemein steigenden Preisen
- Rezession bewirkt Wertewandel – Gesundheitsangst treibt Ernährungsbranche
- Langfristig gesteuerter Wandel – Sicherheit und Regionalität
- Corona als Treiber für Nachhaltigkeit in der Branche
- Radikaler Strukturwandel in der globalen Ernährungsbranche
Im Anschluss erfolgte eine Befragung von rund 40 Expertinnen und Experten der Ernährungsbranche zu deren kurz- und mittelfristigen Erwartungen für die Zukunft, welche mit den genannten Szenarien verknüpft wurden. Dabei stellte sich heraus, dass Szenario 5 „Langfristig gesteuerter Wandel – Sicherheit und Regionalität“ das wahrscheinlichste Zukunftsbild ist. Dies impliziert, dass die Ernährungsbranche noch länger mit den Folgen der Corona-Pandemie zu kämpfen hat und die Themen Lebensmittelsicherheit und Hygienekonzepte weiterhin die Gastronomie und Produktion bestimmen. Auch die Szenarien 3 „Versorgungskrise mit Nationalisierung und allgemein steigenden Preisen“ und 7 „Radikaler Strukturwandel in der globalen Ernährungsbranche“ erhalten viel Zustimmung. Dies zeigt, dass vor allem die negativen Folgen der Corona-Pandemie viel Raum einnehmen und für wahrscheinlich gehalten werden. Allerdings differieren die Erwartungen im Expertenteam je nach Branche recht stark und zeigen, wie groß die Unsicherheit in der Branche ist.
Zudem wurden besondere Treiber für die nahe Zukunft identifiziert. Dabei zeigt sich der Trend zu steigenden Lebensmittelpreisen sowie die freie Verfügbarkeit von Lebensmitteln auf regionale und globaler Ebene. Trotzdem wird eine Stärkung der regionalen Wertschöpfungsketten vermutet, was wohl durch die langanhaltenden Folgen der Corona-Pandemie und den abgeschwächten Welthandel bedingt ist.
Bewertung der Szenarien aus dem Jahr 2017
Zusätzlich hat das Expertenteam die 2017 aufgestellten Szenarien erneut betrachtet und bewertet, um die Veränderungen aufzuzeigen, die die Corona-Pandemie hervorgerufen hat. Dabei ist herausgekommen, dass Szenario 1 „Das Effizienz-Szenario“ sowohl 2017 als auch 2020 die Situation der Ernährungsbranche am ehesten widerspiegelt. Zudem werden das Digitalisierungs-Szenario 3 und das Szenario 5 „Global&Fair-Szenario“ ebenfalls als gegenwartsnahe Zukunftsbilder eingestuft. Beim Vergleich von 2017 und 2020 fällt auf, dass die Veränderungen in der Ernährungsbranche und ihrem Umfeld als nicht sonderlich massiv wahrgenommen werden. Nur das Szenario 8 „Das Versorgungs-Szenario“ hat bei der Bewertung der Lage der Ernährungsbranche im Jahr 2020 deutlich an Bedeutung zugelegt. Außerdem lag vor der Corona-Pandemie der Fokus mehr auf der Umwelt- und Klimapolitik, wurde dann aber zurückgedrängt. Im Vergleich zu 2017 wurden auch eine Stärkung des Lebensmitteleinzelhandels und ein größerer Arbeitskräftemangel festgestellt.
Erwartungen für die Zukunft
Die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie schwer die Zukunft vorhersehbar ist und wie sich erwartete Szenarien von heute auf morgen verändern können. Für die Zukunft werden die Szenarien, die ein hohes Gesundheitsbewusstsein der Bevölkerung, viele Innovationen und neue Geschäftsmodelle in der Lebensmittelbranche annehmen, als am wahrscheinlichsten beurteilt. Zudem zeichnet sich der Trend zu noch mehr Regionalität ab.
Mit der Ernährung der Zukunft befasst sich auch Jahr für Jahr Hanni Rützler in ihren Food Reports . Im Jahr 2025 sollen Plant-based-Produkte in Textur, Konsistenz und Aussehen den „echten“ Fleischprodukten dank der vielfältigen und nachhaltigen Ausgangsprodukte noch ähnlicher werden, aber auch Cultured Meat gewinnt an Bedeutung. Zudem spielt die Verschwendung von Lebensmitteln eine wichtige Rolle. Dabei nimmt der Zero-Waste-Trend auch Landwirtschaft, Handel und Gastronomie in die Verantwortung. Um dem Ziel Zero-Waste näherzukommen, werden sämtliche Teile von Lebensmitteln genutzt und durch moderne Küchentechniken zu leckeren Lebensmitteln verarbeitet, sodass aus Abfall noch wertvolle Rohstoffe hergestellt werden. Wie auch schon das KErn betont, so sieht auch Hanni Rützler, dass regionale Ernährungslösungen wieder in den Vordergrund rücken. Sie sieht diese als Lösung, um auf Probleme der globalen Nahrungsmittelproduktion zu reagieren und als New Glocal die zukunftstaugliche Antwort auf den globalen Lebensmittelhandel zu geben. Dabei rückt auch die Transparenz innerhalb der Lieferketten stärker in den Fokus, ökologische Geschäftspraktiken und Fair-Trade-Produzenten werden zunehmend wichtiger, was auch durch das EU-Lieferkettengesetz unterstützt werden wird.
Auch die Gastro-Trends 2025 versprechen eine spannende Zukunft mit vielen neuartigen Ansätzen, kreativen Ideen und Inszenierungen, wobei stets der Fokus auf der Produktqualität und der Nachhaltigkeit liegt. Nicht nur die gehobene Gastronomie, auch die breite Masse wird ihre Gäste mit innovativen Küchentechniken, neuen Aromenspielen und einer Ausrichtung auf saisonale und regionale Produkte erfreuen.
Wer sich noch näher mit der Ernährung der Zukunft befassen möchte, dem empfehlen wir unserem Artikel „Food Trends 2025“. Dort könnt ihr nachlesen, wie sich Trends auf unseren (Ernährungs-)Alltag auswirken.