Was wächst denn da? Bei einem Spaziergang durch die Natur, aber auch in der Stadt, begegnen wir allerlei Pflanzen und Kräutern. Die meisten davon sind uns allerdings fremd. Schade, denn oftmals verbirgt sich hinter dem, was wir oft nur als Unkraut wahrnehmen, eine gesunde Delikatesse. Wildkräuter sind wunderbar für die Zubereitung von Pesto, Suppen und Smoothies, aber auch zum Verfeinern von Salaten, pikantem Gebäck oder einem Butterbrot – kostenfrei und ohne Zusatzstoffe.
Andrea Porps ist eine, die sich damit auskennt. Die zertifizierte Fachberaterin für Selbstversorgung mit essbaren Wildpflanzen arbeitet freiberuflich in der Natur- und Umweltpädagogik und veranstaltet Pflanzenführungen und Kochkurse zu essbaren Wildpflanzen für Erwachsene und Kinder. „Es ist meine Motivation mein Wissen weiterzugeben, damit es nicht verloren geht. Denn Wildpflanzen sind ein elementarer Teil unseres Ökosystems und eine wichtige Nahrungsquelle für Wildtiere, aber auch für die bestäubenden Insekten und dadurch wiederum für uns“, sagt sie. „Außerdem wachsen sie direkt vor unserer Haustür, sind kostenlos und in Bio-Qualität erhältlich“, freut sich die Wildpflanzen-Expertin, die ursprünglich mal Agrarwissenschaften studiert hat.
Dozentin für Wildkräuter und essbare Wildpflanzen
Um ihre Leidenschaft und ihr Wissen rund um Wildkräuter zu vertiefen, hat sie außerdem vor einigen Jahren an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen einen Zertifikatslehrgang zur Fachberaterin für essbare Wildpflanzen gemacht und ist inzwischen selbst als Dozentin tätig. „Viele wundern sich, warum wir nicht nur von Wildkräutern, sondern von essbaren Wildpflanzen sprechen“, erzählt die Expertin, der Grund: „Unsere einzigartige Natur hält neben Kräutern auch noch Stauden, Sträucher, Bäume und deren Früchte für uns bereit. Aber Wildkräuter sind ideal für den Einstieg in das Thema Selbstversorgung aus der Natur.“
Wildkräuter im Alltag
Andrea Porps weiß auch um die gesundheitlichen und kulinarischen Vorteile von Wildpflanzen. „Seit ich Wildpflanzen in meinen Speiseplan integriert habe, fühle ich mich viel besser und bin weniger krankheitsanfällig als vorher. Denn Wildpflanzen sind echte Superfoods. Sie enthalten deutlich mehr Vitamine, Mineral- und sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe als das Gemüse, das wir im Supermarkt kaufen können.“
In ihren praxisnahen Kursen erwandert sie mit Interessierten die nähere Umgebung, erklärt woran die Teilnehmenden Wildkräuter erkennen, wie sie diese selbst sammeln und verarbeiten können. Für alle, die einen eigenen Garten haben, bietet Andrea Porps auch eine persönliche Führung und Wildpflanzen-Beratung in den eignen vier grünen Wänden an.
Wildkräuter geben Impulse für ein Leben in und mit der Natur
„Wildkräutersammeln ist eine riesengroße Bereicherung nicht nur für den Speiseplan, sondern für den ganzen Körper. Man ist an der frischen Luft und verbindet sich wieder mit der Natur und allein das tut unglaublich gut. Doch man sollte beim Pflücken immer achtsam sein, denn es gibt auch giftige und ungenießbare Doppelgänger, die man nicht verzehren sollte. Wer eine Pflanze nicht kennt, sollte lieber die Finger davon lassen bzw. sie vor dem Verzehr einem Experten zeigen“, rät die Dozentin.
Wildkräuter erkennen und zubereiten
Eine Pflanze, die jeder kennt, ist Löwenzahn. Von Kindern als Pusteblume geliebt, wird sie von Gärtnern akribisch als Unkraut aus dem Garten entfernt. Dabei sind die im Löwenzahn enthaltenen Bitterstoffe besonders wertvoll für die Gesundheit, denn sie sollen nicht nur die Verdauung, sondern den gesamten Stoffwechsel anregen. Junge Löwenzahnblätter bereichern mit ihrem mild-herben Geschmack jeden Salat, schmecken aber auch im Smoothie oder als Pesto. „Eine tolle vegane Honig-Alternative ist Löwenzahn-Honig“ schwärmt Andrea Porps.
Dafür gibt man etwa 200 g Blüten in 1 Liter Wasser und lässt diesen Mix mindestens 2 Stunden ziehen. Im Anschluss gießt man den Sud durch ein Sieb in einen Topf, ergänzt 1 kg Bio-Rohrohrzucker und den Saft ½ Bio-Zitrone. Dann lässt man das Ganze so lange offen köcheln, bis es eine sirupartige Konsistenz hat, und füllt es zuletzt in saubere Flaschen oder Gläser. Das schmeckt wunderbar aufs Brot und auch als Topping zu Pfannkuchen oder zum Abschmecken von süßen aber auch pikanten Speisen.
Würzige Heilkräuter
Auch Brennnesseln kennt fast jeder als Unkraut und hat seine eigenen schmerzhaften Erfahrungen mit dem Wildkraut gemacht. Dabei kommen Brennnesseln kommen schon lange in der Naturheilkunde zum Einsatz. Das Nesselgewächs wurde nicht ohne Grund vom Naturheilverein Theophrastus zur Heilpflanze des Jahres 2022 gewählt. Brennnesseltee etwa wird zur Entwässerung, zur Blutreinigung oder zur Anregung des Stoffwechsels eingesetzt. „Brennnesseln spielen eine bedeutsame Rolle im ökologischen Gleichgewicht und sind eine kulinarische Delikatesse“, weiß Andrea Porps. „Das Kraut schmeckt ganz wunderbar als Spinatersatz, als Pesto, Suppe oder Smoothie. Um die Blätter zu entschärfen, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Wenn man die Blätter kocht bzw. blanchiert oder püriert, verlieren sie automatisch ihre Brennkraft. Wer sie gern frisch als Salat verzehren möchte, sollte die Blätter in ein Tuch einschlagen und mit einer Teigrolle kräftig darüber rollen“, rät die Pflanzen-Expertin. „Dadurch werden die Brennhaare gebrochen und verlieren ihre Brennkraft.“ Andrea Porps kennt auch einen Trick, der es ermöglicht die Blätter direkt und frisch gepflückt zu genießen. „Da die Brennhaare sich überwiegend auf der Unterseite und am Stängel befinden, drückt man am besten ein einzelnes Blatt mit Daumen und Zeigefinger von oben zusammen, pflückt es vorsichtig vom Stängel ab und faltet es einige Male zu einem kleinen Päckchen zusammen. Dann rollt man das Mini-Päckchen noch einige Male in der Handinnenfläche und fertig ist der wilde Sack,“ erklärt Andrea lachend und erzählt, dass vor allem Kinder immer ganz begeistert sind, wenn sie ihnen diesen Trick zeigt.
Labkraut – ein Multitalent unter den Wildkräutern
Eine weitere Pflanze, die hierzulande überall zu finden ist, ist Labkraut. „Früher wurde es aufgrund seines Gehaltes an Labenzym vor allem zur Käseherstellung genutzt. Die Inhaltstoffe des Labkrautes sollen aber auch den Stoffwechsel ankurbeln und antientzündliche Eigenschaften haben“, erzählt Andrea Porps. Die jungen Blätter und saftigen Triebspitzen des Wiesen-Labkrautes eignen sich sehr gut für Salat, Pesto, Suppen, Saucen, Smoothies und gedünstet als Gemüse. Die Frühlingstriebe schmecken roh herrlich mild – wie ein Mix aus Kopfsalat und Rucola.
„Am allerbesten sind sie übrigens im April bis Anfang Mai, bevor die Blüte beginnt“, rät die Wildpflanzen-Expertin. „Man kann auch die zart honigduftenden, leicht süßlichen Blüten nutzen, zum Beispiel um daraus einen wohlschmeckenden Tee zu bereiten.“ Andrea Porps empfiehlt vor allem die Blüten des „Echten Labkrautes“ zu sammeln, da diese deutlich aromatischer sind. Auch das Kletten-Labkraut ist in der Wildkräuterküche verwendbar, allerdings sollte man es wegen der hakigen Härchen am besten in den Mixer geben.
Rezept mit Wildkräutern und Wow-Faktor
Für eine Labkraut-Giersch-Frittata empfiehlt sie, 10 Wiesen-Labkraut-Spitzen mit kochendem Wasser zu übergießen und dann mit 10 jungen Gierschblättern oder anderen Kräutern wie Knoblauchsraukenspitzen oder Bärlauchblättern fein zu hacken. Dann 4 Bio-Eier, 20 ml Bio-Sahne oder Hafersahne, eine Prise Steinsalz und 2 EL Shoyu oder Tamari – Sojasauce (Bio) – zu verrühren und die Kräuter unterzumischen. Dann 1 EL Bio-Sonnenblumenöl in einer beschichteten Pfanne erhitzen. Den Eier-Mix zugeben und einige Minuten mit geschlossenem Deckel bei kleinster Hitze stocken lassen. Einmal wenden und nochmal ein paar Minuten garen. Die Frittata zum Servieren mit Schnittlauch oder essbaren Blüten (z. B. Gänseblümchen, Taubnessel, Löwenzahn, Ehrenpreis, …) anrichten.
Darauf sollte man beim Wildkräutersammeln achten
Entscheidend ist, dass die Pflanzen unbelastet und frei von Verunreinigungen und Bissspuren sind. Daher empfiehlt die Expertin, nicht an viel befahrenen Straßen, klassischen Hunde-Gassi-Wegen, Wildwechsel-Routen und Gegenden rund um konventionelle Landwirtschaft zu suchen. Viele Wildkräuter findet man häufig an Seen, Flüssen oder in Grüngürteln. Auch in Gebieten rund um Schrebergärten wird man meist fündig.
Um einen gesunden Nachwuchs zu sichern, sollte man die Pflanze nie mit der Wurzel ausreißen, sondern sie oberhalb mit einem Messer abschneiden – und darauf achten, dass man eine Stelle nicht komplett leer pflückt. Ganz wichtig: Auch wenn in Naturschutzgebieten eine Vielzahl an Wildkräutern zu finden sind, ist es verboten sich hier zu bedienen.
Foraging: Ein Trend mit alten Wurzeln
Giersch, Spitzwegerich, Bärlauch, Vogelmiere, Knoblauchsrauke, Schafgarbe, Sauerampfer, …. Andrea Porps gerät ins Schwärmen. Sie hat viele Rezepte und warenkundliche Infos parat, je nach Kräutern und Jahreszeit. „Das Wissen um regional und wildwachsende Heil- und Nutzpflanzen stellt einen wertvollen Schatz dar, den es zu bewahren gilt. Im Grunde liegt uns die Suche nach Essbarem in der Natur im Blut. Schließlich haben sich unsere Urahnen bis vor weniger als 8000 Jahren vom Jagen und Sammeln ernährt, bevor sie sesshaft wurden und zu Ackerbau und Viehzucht übergingen. Die Suche nach Wildkräutern in der Natur verbindet uns wieder mit unseren Ursprüngen. Sie ist nicht nur eine Bereicherung unseres Speiseplans, sondern ein Erlebnis von dem Teilnehmende einer Wildkräuterwanderung noch lange zehren können“, erklärt Andrea Porps.
„Unter anderem auch, weil sich Details an einer Pflanze viel besser zeigen lassen und gerade Anfänger sich nicht auf eine App verlassen sollten“, sagt sie. Sie freut sich darüber, dass inzwischen immer mehr Menschen sich auf diese Ursprünge zurückbesinnen. Sie muss aber darüber schmunzeln, dass sich auch dafür eines Begriffs aus dem Englischen bedient wird, nämlich Foraging. „Das bedeutet nichts anderes als Nahrungssuche und beinhaltet genau das, was ich auch in meinen Kursen vermitteln möchte“, erklärt Andrea Porps. Informationen zu Kursen, aber auch weitere spannende Hintergründe, finden sich auf der Webseite wildpflanzengeschenke.de von Andrea Porps.
Wildkräuter sind nicht nur gesund und schmecken. Sie kommen ohne Verpackung und lange Transportwege in deine Küche und das macht sie zu klimafreundlichen Lebensmitteln. Wenn du mehr darüber erfahren möchtest, welche Auswirkungen unsere Ernährung auf das Klima hat, empfehlen wir dir unseren Beitrag „Klimafreundliche Ernährung“.