Ob Wein, Bier, Fleisch, Mineralwasser, Gewürze & Co. – mittlerweile gibt es für (fast) jedes Lebensmittel eine Ausbildung als Sommelier. Durch die Leidenschaft der Sommeliers für bestimmte Lebensmittel, die vielmehr Genussmittel sind, wird unsere Ernährung wieder erlebbarer. Denn die Sommeliers lassen uns an ihrer Expertise teilhaben, vermitteln ihr Wissen und die perfekten Geschmackskombinationen, damit die Lebensmittel, für die sie brennen, uns noch besser im Gedächtnis bleiben.
Wir haben bei vier Sommeliers in Doppelrolle nachgefragt, ob es überhaupt noch den Xten Sommelier braucht und warum für sie nach der ersten Sommelierausbildung noch nicht Schluss war, denn diese Sommeliers setzen auf kombinierte Fachexpertise:
Barbara Teichmann, bekannt als die BierVersteherin, hat sich zu ihrer Ausbildung als Biersommelière ebenso erfolgreich dem Thema Käse genähert.
Eine provokante Frage vorab: Braucht die Welt Bier-, Käse-, Gewürz- und sonstige Sommeliers?
Barbara Teichmann: Dazu eine ebenso provokante Antwort: Nein!! Meiner Meinung nach erleidet in der Zwischenzeit der Begriff „Sommelier“ eine Art Ausverkauf. Zu jedem nur erdenklichen Lebens- und Genussmittel muss es in der heutigen Zeit einen Sommelier geben. Das nimmt schon dekadente Züge an und mindert in meinen Augen auch die Wertigkeit einer wirklich profunden Tätigkeit. Ich finde diese Entwicklung ziemlich schade und hoffe für die Zukunft, dass die Qualität der Sommeliers nicht auf Kosten der Quantität verloren geht. Und ob man wirklich alles, vom Brot über Fleisch und Gewürze bis zu Käse oder Schokolade, unbedingt „sommeliertechnisch“ beschreiben und an die Frau oder den Mann bringen muss, ist schon etwas fragwürdig. In einer Welt, in der Wasser als Grundlage des Lebens auf der Erde teuer angeboten und per Wassersommelier an die Kunden gebracht werden muss, stellt sich mir schon die Frage, wie weit die sogenannte zivilisierte Welt noch gehen wird.
Warum war es dir wichtig, einen weiteren Titel, ein weiteres Fachgebiet, zu erarbeiten? Und warum hast du dich für die Käsesommelière entschieden?
Barbara Teichmann: Der Titel spielte für mich überhaupt keine Rolle. Mir war es einfach wichtig, so viel wie möglich über Käse zu erfahren, weil ich die Kombination Bier und Käse sehr vielschichtig und unglaublich interessant finde. Es ist allerdings meines Wissens nicht möglich, als absoluter Laie auf andere Weise als über den Sommelier tieferen Einblick in die Herstellung und die Vielfalt internationaler Käsesorten zu bekommen. Außerdem esse ich sehr gerne fast jede Art von Käse, je reifer desto besser! Ich finde es auch äußerst spannend, dass man Käse, bevor man ihn zusammen mit einem bestimmten Bier servieren kann, immer erst probieren muss, da er sich im Laufe seiner Reife stetig geschmacklich verändert.
Wie haben die Kollegen aus dem Bierbereich reagiert?
Barbara Teichmann: Alle Rückmeldungen, die ich bekommen habe, waren ausschließlich positiv.
Stefan Grauvogl bildet seit einigen Jahren erfolgreich Biersommeliers in Italien aus und berät mit seiner Firma ARTE-Bier Brauereien weltweit. Er ist nicht nur Bier-, sondern auch Mineralwassersommelier.
Eine provokante Frage vorab: Braucht die Welt Bier-, Käse-, Gewürz- und sonstige Sommeliers?
Stefan Grauvogl: Ich finde ja, weil der Sommelier als „Vorkoster“ und Vertrauensperson von Genussmenschen auch immer auf der Suche nach qualitativ hochwertigen Produkten ist und diese dann wiederum an seine qualitativ hochwertige Klientel weitergibt. Zudem trägt er auch zur Sensibilisierung des Endkunden in einem breiten Massenmarkt bei und unterstützt somit indirekt kleinere handwerkliche Betriebe. Er trägt also entscheidend zur kulturellen Werteerhaltung von gesunden und qualitativ guten Lebensmitteln bei.
Warum war es dir wichtig, einen weiteren Titel, ein weiteres Fachgebiet, zu erarbeiten? Und warum hast du dich für den Mineralwassersommelier entschieden?
Stefan Grauvogl: Da Bier zu 92 Prozent aus Wasser besteht und ich diesen Rohstoff besser verstehen wollte, habe ich mich für den Mineralwassersommelier entschieden; mir ging es da nicht in erster Linie um einen weiteren Titel als vielmehr um die Komplettierung der beiden Themen Wasser und Bier. Ich denke, dass Wasser ein Thema ist, dem in Zukunft immer mehr Beachtung geschenkt werden wird (Verknappung, Qualität etc.). Es ist zudem hochinteressant, einen Stoff zu kennen, ohne den wir keine zwei Tage überleben könnten, aus dem wir selber zu 70 Prozent bestehen, der selbst noch hochangesehenen Wissenschaftlern Rätsel aufgibt (Anomalien des Wassers) und der zu guter Letzt Hauptbestandteil von Bier ist.
Wie haben die Kollegen aus dem Bierbereich reagiert?
Stefan Grauvogl: Eigentlich waren alle begeistert; natürlich schmunzelten auch Kollegen, aber die Reaktionen waren durchaus positiv, schließlich ist es als Brauer nicht abwegig, sich mit dem Rohstoff Wasser auseinanderzusetzen. Man muss wissen, dass unter Braumeistern das Unterrichtsfach Wasser seines schwierigen Chemismus wegen nicht sehr beliebt ist. Im Mineralwassersommelier wird dieses komplexe Thema aber gut verständlich erklärt und mit vielen sensorischen Verkostungen begleitet, das wiederum wurde von den Kollegen interessiert aufgenommen.
Markus Raupach, Biersommelier, Buchautor und Geschäftsführer der Deutschen Bierakademie, hat sich in seiner zweiten Sommelierausbildung intensiv mit Edelbränden auseinandergesetzt.
Eine provokante Frage vorab: Braucht die Welt Bier-, Käse-, Gewürz- und sonstige Sommeliers?
Markus Raupach: Eindeutig ja. Für mich – ich mache übrigens dieses Jahr auch noch die Ausbildung zum Käsesommelier – ist das eine schöne Ergänzung zu dem, was ich beruflich mache. Mehr zu wissen über Geschichte, Herstellung, Aromen und Besonderheiten von Nahrungs- und Genussmitteln macht mir Spaß und gibt mir auch die Möglichkeit, dieses Wissen in meinen Büchern und Seminaren zu verwenden. Dennoch: Es mag sein, dass gerade der typische Verbraucher nicht viel damit anfangen kann, wenn ihm auf einmal ein Edelbrand- oder Biersommelier etwas über seine Trinkgewohnheiten erzählen will. Das liegt allerdings dann auch daran, dass wir Sommeliers – und oft auch die Hersteller – nicht gut kommunizieren, wofür wir gut sind, was wir können – und was nicht. Ich mache bei diesen Gelegenheiten immer klar, dass mir die Produkte und Hersteller – und auch die Verbraucher – am Herzen liegen und ich möchte, dass ein größeres Wissen zu mehr Achtung und Bewusstsein beim Genuss und Einkauf von Lebensmitteln führt.
Warum war es dir wichtig, einen weiteren Titel, ein weiteres Fachgebiet, zu erarbeiten? Und warum hast du dich für Edelbrände entschieden?
Markus Raupach: Bei mir hatte das zwei Gründe. Erstens hatte ich 2013 einen Führer zu den Fränkischen Brennereien geschrieben und dabei viele Brenner kennen gelernt, was mich neugierig gemacht hat, hier tiefer einzusteigen, und zweitens war mir bei der Biersommelierausbildung die Sensorik zu kurz gekommen. Mir war klar, dass ich hier durchaus noch etwas Nachhilfe gebrauchen konnte. Bei der Edelbrandsommelier-Ausbildung haben wir während der Ausbildung sechs Tage ausschließlich verkostet, beschrieben und bewertet. Zudem gibt es hier noch eine etwas andere Herangehensweise, weil man z.B. bei einem Apfelbrand auch riechen und schmecken kann, ob sich die Stiele, das Kernhaus oder die Schale aromatisch im Brand bemerkbar machen. Mich haben die Ausbildung und das jährliche mehrtägige Intensivtraining, das bei den Edelbrandsommeliers vom Verein angeboten wird, wirklich deutlich weitergebracht.
Wie haben die Kollegen aus dem Bierbereich reagiert?
Markus Raupach: Einige haben gefragt, ob ich mich vom Bier abwenden wollen würde, aber die Mehrheit fand es gut, gerade weil das Thema Sensorik ja wirklich für die meisten Biersommeliers sehr wichtig ist – und es vielen so geht wie mir. Wer ist schon der geborene Sensoriker?
Dr. Wolfgang Stempfl, ehemaliger Geschäftsführer von Doemens, wo seit der ersten Stunde Biersommeliers ausgebildet werden, ist zusätzlich in die spannende Welt der Gewürze eingestiegen.
Eine provokante Frage vorab: Braucht die Welt Bier-, Käse-, Gewürz- und sonstige Sommeliers?
Dr. Wolfgang Stempfl: Lebensmittel werden heute bei uns nicht mehr so sehr zum Stillen des Hungerbedürfnisses verzehrt. Dafür tritt mehr und mehr der Genussaspekt in den Vordergrund. Das Genussempfinden lässt sich am besten steigern, wenn man sich mit der Vielfalt, den sensorischen Eigenarten und der spezifischen Herstellung des konsumierten Lebensmittels auskennt. Und das geht weit über den Wein hinaus, der bis vor wenigen Jahren noch mit dem Sommelierbegriff verbunden wurde. Deshalb haben es für mich alle Lebensmittel, die genügend an Vielfalt zu bieten haben, auch verdient, dass es Kenner gibt, die das Genusspotenzial eben dieses Lebensmittels an Interessierte weitergeben und ihnen damit eine Bereicherung des Genusserlebnisses beim Verzehr ermöglichen.
Warum war es dir wichtig, einen weiteren Titel, ein weiteres Fachgebiet, zu erarbeiten? Und warum hast du dich für Gewürze entschieden?
Dr. Wolfgang Stempfl: Mein Hauptinteresse lag und liegt weiterhin beim Bier. Durch die Ausbildung zum Gewürzsommelier konnte ich meinen Horizont vor allem dahingehend erweitern, dass über die große Vielfalt an Gewürzen und die enormen Variationen an Aromen, die die Gewürze in die Speisen bringen, schier unerschöpfliche Kombinationsmöglichkeiten von interessant gewürzten Speisen mit Bier möglich sind. Ein Gebiet, das täglich neue Entdeckungsreisen ins Reich der Sinne ermöglicht.
Wie haben die Kollegen aus dem Bierbereich reagiert?
Dr. Wolfgang Stempfl: Die meisten haben geschmunzelt – und das war auch ganz in meinem Sinne.
Erst Wein, dann Bier, dann Brot? Welche Sommeliers gab es zuerst, welche folgten? Wir haben in einem Beitrag Hintergründe zur „Historie“ der Sommelierausbildung gesammelt.