Der Brausturm Bierverlag sorgt dafür, dass die Regale von Bierspezialitätenshops und die Bierkarten von Craftbierbars stets bestens mit besonderen Bieren gefüllt sind, und kümmert sich permanent um den gewünschten Nachschub. Die beiden Gründer Max Marner und Ronald Siemsglüss kaufen weltweit Biere bei Partnerbrauereien und einschlägigen Importeuren ein und verkaufen sie an den nationalen Handel, an inhabergeführte Craftbiershops sowie an Gastronomen, die sich auf eine gut sortierte Bierauswahl spezialisiert haben. Sie legen, anders als bei der Gründung vor fast vier Jahren, mittlerweile beim Firmennamen mehr Gewicht auf den Wortteil „Sturm“ als auf „Brau“, da dieser ihre Mission am ehesten beschreibt. Sie wollen stets die Ersten sein, wenn es um den Import von besonderen Craftbieren nach Deutschland geht; das „Ständig-was-Neues-machen“ liegt den beiden im Blut und treibt sie um wie ein Sturm. Gestartet sind sie mit dem Großhandel im Frühjahr 2014; im Mai 2015 wurde das eigene Ladengeschäft mit dem Namen Beyond Beer für Craftbier in Hamburg eröffnet, und im August 2016 folgte der Onlineshop. Als bierkundige Food-PR-Agentur hat uns interessiert, wie die beiden 2014 auf die Idee kamen, sich beruflich dem Handel von Bieren zu widmen, und welchen Herausforderungen sie tagtäglich gegenüberstehen.
Wie kommt man auf die Idee, sein Geld mit dem Einkauf und Verkauf von Bieren, vornehmlich aus dem Ausland, zu verdienen? Seid ihr erblich vorbelastet, das bedeutet, dass in eurem Umfeld das Thema Bier schon immer eine Rolle gespielt hat, oder war alles gänzliches Neuland? Erzählt ein wenig von den Anfängen. Wie seid ihr an eure ersten Brauereien, an die ersten Kunden gekommen? Was war zuerst da?
Ronald: Wir haben beide keine Bier-DNA, wenn du das meinst. Max hat als ausgebildeter Handelsfachwirt bei der EDEKA gearbeitet und ist über einen Auslandsaufenthalt in den USA zum Craftbier gekommen, denn dort hat er Bier von einer ganz anderen Seite als in Deutschland kennengelernt. Zu dieser Zeit war dort die Craftbierbewegung schon voll im Gang. Zurück in Deutschland hat ihn als begeisterter Hobbybrauer die Stellenausschreibung der Ratsherren Brauerei angesprochen, die einen Storemanager für die Leitung des Craft Beer Stores gesucht haben. Ich selber bin über meinen Bruder Simon Siemsglüss von der Buddelship Brauerei nicht nur nach Hamburg, sondern auch zum Bier gekommen. Simon hat unter anderem bei Paulaner und anschließend 2008 in China und England als Braumeister gearbeitet. Meine Begeisterung für Bier ist einfach groß, und daher habe ich mich 2012 entschlossen, auch den Braumeister an der Versuchs- und Lehranstalt für Brauerei in Berlin (VLB) e.V. zu machen. Im Anschluss bin ich bei der Ratsherren Brauerei eingestiegen; zuerst in der Produktion, dann aber habe ich mich schnell wieder auf den kaufmännischen Bereich zurückgezogen und war zum Schluss als Prokurist in der kaufmännischen Leitung tätig. Und bei Ratsherren schließt sich dann auch der Kreis. Max wurde per Skype-Interview von mir bei Ratsherren an Bord geholt. Mit seinen Erfahrungen aus dem Handel in Kombination mit den Erfahrungen als Brauer war er die ideale Besetzung als Storemanager für den geplanten Bierspezialitätenshop. Wir beide haben dort viel gelernt und festgestellt, dass wir beruflich bestens harmonieren. Und so ist eins zum anderen gekommen. Wir wollten unser eigenes Ding machen und haben dann im Frühjahr 2014 den Brausturm Bierverlag gegründet, weil wir das Potenzial auf dem deutschen Markt erkannt haben. Zu Beginn war es nicht einfach, wo sollten wir anfangen? Brauereien überzeugen, dass wir genau die richtigen Partner sind, um ihre Biere auf dem deutschen Markt bekannt zu machen, oder Kunden aus dem Handel finden, die uns ihr Vertrauen schenken? Mit der Erfahrung von heute würde ich sagen, dass wir schon ein wenig grün hinter den Ohren gestartet sind. Andererseits haben wir durch die Trial-and-Error-Vorgehensweise auch viele wichtige Erfahrungen gemacht, die uns dahin gebracht haben, wo wir heute stehen. Wir waren gewissermaßen Pioniere und haben Neuland betreten, da es zu dieser Zeit noch kein vergleichbares Geschäftsmodell gab; es hat kein Handelsunternehmen dafür gesorgt, exklusiv bestimmte Craftbiermarken auf dem deutschen Markt zu etablieren. Wir haben zur richtigen Zeit den Trend erkannt und sind nun dafür bekannt, dass wir durch unser Netzwerk Biere für den deutschen Markt besorgen können, an die man sonst nicht rankommt. Zudem sind wir für ausländische Brauereien sehr attraktiv, da wir sehr viel mehr sind als nur Logistiker; wir sorgen dafür, dass sich die Brauereien, mit denen wir immer langfristig zusammenarbeiten wollen, als Marke auf dem deutschen Markt etablieren. Aus diesem Grund ist es uns wichtig, dass wir exklusiv für die Brauereien in Deutschland agieren, also diejenigen sind, die für die Brauerei in Deutschland sprechen und die Biere vertreiben.
Was steckt hinter dem Namen Brausturm Bierverlag? Und warum hat euer Shop/Onlineshop einen anderen Namen?
Ronald: Nun ja, heute würden wir vielleicht einen anderen Namen wählen, aber damals hat Brausturm perfekt zu unserer Vision, ständig was Neues zu machen, gepasst. Der Zusatz Verlag steht für Tradition. „Verleger“ ist ein Begriff, den die Getränkebranche in Deutschland kannte und der für Handel und Logistik steht. Damit haben wir die Brauereien in Deutschland, aber auch den Handel abgeholt. Brausturm drückt unsere Positionierung aus, dass wir immer die Ersten sein wollen, die eine bestimmte Marke in Deutschland bekannt machen. Das Konsumentengeschäft wollten wir jedoch komplett vom Großhandel trennen und haben daher einen Name gewählt, der Bierenthusiasten anspricht und durch die englische Begrifflichkeit zeigt, dass wir international unterwegs sind.
Ihr habt euch auf Brauereien aus dem Ausland spezialisiert, so liest man. Wenn ich mir die Liste eurer Brauereien anschaue, sind da doch auch einige aus Deutschland dabei. Wie wählt ihr die Brauereien aus, die bei euch letztlich im Regal stehen oder die ihr der Gastronomie anbietet? Welche Kriterien legt ihr bei der Auswahl zugrunde? Was ist, wenn eine traditionelle deutsche Brauerei bei euch an die Tür klopft?
Ronald: Wichtig ist uns immer, dass die Chemie stimmt und die Brauereien bestrebt sind, die höchste Qualität zu liefern. Bei deutschen Brauereien ist es meist so, dass wir die Vertriebsrechte nicht exklusiv erhalten, worauf wir bei den Brauereien aus dem Ausland ja bestehen. Uns geht es um mehr, wir streben stets eine gute langfristige Zusammenarbeit mit den besten Brauereien an. Wenn sich eine Brauerei meldet, dann besprechen wir immer, wie eine Zusammenarbeit aussehen kann, was wir für die Marke leisten können und welche Zielsetzungen die Brauereien haben. Wir sind bekannt dafür, dass wir Besonderheiten, ganz Spezielles liefern, was natürlich auch von einer deutschen Brauerei geleistet werden kann. Daher sind wir offen für alles.
Ihr bezeichnet euch als Deutschlands größter Craft-Beer-Großhandel mit der umfangreichsten Bierauswahl nationaler und internationaler Biere für Fachgeschäfte, Gastro und Handel. Wie kann man das messen?
Ronald: Sagen wir das? Das muss man nicht mengenmäßig sehen. Wir überzeugen durch Leistung, Qualität und Vielfalt. Mit über 500 verschiedenen Bierspezialitäten im Portfolio können wir mit Bestimmtheit sagen, dass wir in diesem Bereich in Deutschland führend sind.
Wie erspürt ihr die aufkommenden Trends? Wie bewertet ihr die Biere, wie bildet ihr euch weiter?
Max: Wir sind auf internationalen Bierfestivals unterwegs auf der Suche nach neuen Bierspezialitäten und Strömungen in der Branche, die schnell zum Trend anwachsen können. Um dann auch die richtige Spur zu verfolgen, braucht man Erfahrung und ein wenig Bauchgefühl. Wenn wir auf einem Festival sind und mit den Kollegen aus dem In- und Ausland sowie Brauern sprechen, die ihr Bier dort ausschenken, merkt man sehr schnell, was gerade angesagt ist. Die Herausforderung für uns besteht dann darin abzuschätzen, ob der deutsche Markt für die hippe, aufkommende Bierkategorie schon reif ist oder ob der Trend vermutlich an Deutschland vorübergehen wird.
Ihr habt seit Mai 2015 sozusagen euren eigenen Testmarkt vor der Haustür. Mit Beyond Beer könnt ihr die Kundenwünsche direkt anfragen beziehungsweise an den Verkaufszahlen erkennen, wohin der Weg geht und was der bierbegeisterte Kunde will. Oder ist es anders herum, und ihr bringt manche Bierstile und Biermarken gezielt an den Mann/die Frau? Macht ihr mit dem stationären Handel, dem Shop, sowie dem Onlineshop nicht irgendwie euren eigenen Kunden Konkurrenz?
Ronald: Der Laden hilft uns zum einen, dass wir unsere Großkunden und deren tägliche Herausforderungen noch besser verstehen können, und zum anderen haben wir damit einen Testmarkt geschaffen, in dem wir neue Biere ausprobieren können. Wir haben einen kleinen Ausschank integriert und immer neue Biere am Hahn, die wir die Kunden kosten lassen. Dabei merken wir schnell, ob wir einem wirklichen Trend auf der Spur sind. Unsere Großkunden betrachten uns nicht als Wettbewerber. Der Markt in Hamburg ist groß genug für mehrere Spezialitätenshops, da die Konsumenten nicht unbedingt weite Wege auf sich nehmen, um besondere Biere zu kaufen. Wir alle haben uns in Hamburg einen festen Kundenstamm erarbeitet und bringen das Thema Bier gemeinsam voran, statt uns Konkurrenz zu machen. Das Thema online steckt noch in den Kinderschuhen; hier ist ein Potenzial gegeben, das derzeit noch nicht voll gereift ist. Ich denke, da sind wir uns alle einig. Wir bedienen den Markt mit, aber der Bereich bildet nur einen Bruchteil unseres Geschäfts ab.
Hat sich die Kundschaft bei euch im Laden in den ersten beiden Jahren verändert? Wenn ja, wer hat zu Beginn bei euch eingekauft, wer heute? Habt ihr Stammkunden?
Ronald: Zu Beginn hatten wir in erster Linie Bierfreaks im Geschäft, die immer auf der Suche nach was Neuem sind, sowie Hobbybrauer, die sich mit Experten austauschen wollen. Die sind uns als Stammkunden geblieben. Zugleich haben wir weitere treue Kunden gewonnen, die ursprünglich als Craftbierneulinge durch Zufall zu uns in den Laden gekommen sind, Beratung gebraucht und sie auch gerne angenommen haben. Meine Prognose ist, dass die Gruppe an Biernerds immer größer werden wird. Die Neulinge von damals sind nun gute Bierkenner geworden und auf der Suche nach immer neuen Bierspezialitäten. Durch unsere Veranstaltungen und Verkostungen vergrößert sich der Kundenkreis stetig.
Ihr beliefert ausgewählte Supermärkte in Hamburg und habt dafür ein Craft-Beer-Regal anfertigen lassen. Stellt ihr das dem Handel zur Verfügung?
Ronald: Die Kontakte kamen über Max zustande, und wir sehen das als Pilotprojekt, bei dem wir Erfahrung sammeln können. Ich bin davon überzeugt, dass das die Zukunft ist. Der hochwertige Lebensmitteleinzelhandel hat erkannt, dass im Bereich Bierspezialitäten ein enormes Potenzial steckt und sie für das Konzept sowie die Beschaffung Unterstützung von Experten brauchen. Und das sind wir. Noch macht der Bereich keinen mengenmäßigen Anteil in unserem Geschäft aus, aber das kann wachsen. Aus diesem Grund haben wir investiert. Es ist eine Art Mischkalkulation, die sich über die Jahre sicher rechnen wird,
Wie geht ihr mit dem Thema MHD um?
Ronald: Das ist grundsätzlich gut zu managen, wenn man offen kommuniziert. Hier können wir zudem von unserer Erfahrung aus dem Projekt bei Ratsherren profitieren. Die Kunden bekommen mit der Bestellliste auch die Information zum MHD der jeweiligen Charge. So können sie entscheiden, ob und wie sie mit dem bestellten Bier mit dem vorgegebenen MHD zurechtkommen. Mit der konkreten Bestellung geben sie auch gleichzeitig das MHD frei.
Was ist euer absolutes Yes-Projekt?
Max: Die ganze Firma ist ein absolutes Yes-Projekt.
Wann war euer absoluter Tiefpunkt, an dem ihr alles hinwerfen wolltet, oder gab es den nie?
Ronald: Es ist ein stetiges Auf und Ab. Einen wirklichen Tiefpunkt hatten wir eigentlich nie. In der ersten Zeit haben wir sehr viel ausprobiert, haben alle möglichen Projekte angenommen. Dann kam der Zeitpunkt, zu dem wir einen sehr guten Stamm an Partnerbrauereien sowie viele feste Großkunden hatten und uns Gedanken über die finale Positionierung machen und in Folge dann viel fokussierter vorgehen konnten. Was wir vielleicht im Nachhinein betrachtet nicht mehr machen würden, ist, ein Gastroobjekt mit mehreren Partnern zu starten wie die Schankwirtschaft. Es ist wichtig, dass immer ein Verantwortlicher den Hut auf hat und sich um so ein Projekt kümmert. Wir waren einfach zu viele, und jeder von uns hatte noch andere Baustellen. Daher haben wir uns dann auch davon verabschiedet. Das heißt aber nicht, dass die Idee eines externen Taprooms damit für immer gestorben ist. Beim nächsten Mal würden wir eine solche Idee jedoch strategisch anders angehen.
Wohin geht der Weg im deutschen Biermarkt eurer Einschätzung nach? Welche Ziele und Visionen habt ihr für Brausturm und Beyond Beer?
Max: Das Thema Haltbarkeit wird die Branche unserer Meinung nach in der Zukunft intensiv beschäftigen. Der Handel fordert ein MHD, und die Brauereien müssen liefern. Die Frage ist, wie der Verbraucher damit umgeht. Wir möchten in naher Zukunft gern einen kleinen Taproom eröffnen, in dem viele verschiedene Biere am Hahn sind. Keine komplette Gastronomie, sondern ein Versuchsraum, in dem wir auch Veranstaltungen und Verkostungen machen können; kein Ort, der immer geöffnet sein muss wie unser Gastroprojekt Schankwirtschaft, das wir mit ein paar Partnern betrieben haben.
Fotos: Brausturm Bierverlag GmbH, Beyond Beer GmbH