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Die Ära Stempfl bei Doemens geht zu Ende

Dr. Wolfgang Stempfl bei der Deutschen Meisterschaft der Sommeliers für BierDr. Wolfgang Stempfl hat vor 16 Jahren die Geschäftsleitung bei Doemens übernommen und in dieser Zeit sehr viel in der Bierbranche weltweit bewegt. Was genau und welche Veränderungen er in dieser Zeit beobachtet hat, erzählt er uns als Food-PR-Agentur anlässlich der offiziellen Verabschiedung.

Wolfgang, mit der heutigen Verabschiedung durch den offiziellen Festakt im Rahmen der drinktec geht eine Ära bei Doemens zu Ende. War die Position als Geschäftsführer von Anfang an dein Traumjob und das Ziel, das du beruflich angestrebt hast? Direkt nach deinem Chemiestudium hattest du vermutlich andere Pläne?

Dr. Wolfgang Stempfl: Nach meinem Studium war ich sechs Jahre in der Geschmacksforschung tätig. Das hat mir sehr gut gefallen, und ich wollte danach eine berufliche Aufgabe, die wieder ein offenes Denken und Kreativität zulässt. Als ich dann vor über 30 Jahren an die Doemens Akademie geholt wurde (ich hatte mich dort gar nicht beworben), als Laborleiter des damals im Aufbau befindlichen Dienstleistungslabors und als Projektleiter für Forschungsvorhaben, wurde meine Liebe zur Doemens Akademie sehr schnell geweckt. Flexibilität im Handeln, Kreativität, aber auch entschlossenes Umsetzen von Projekten, das alles konnte ich bei Doemens bestens verwirklichen. Der damalige Geschäftsführer Georg Zentgraf gestand mir die Freiräume zu, alles umzusetzen, wovon ich überzeugt war. Und so hat sich Doemens für mich sehr rasch zum Traumjob entwickelt, auch wenn viele Dinge mit dem ursprünglichen Studium nichts mehr zu tun hatten.

Was hat sich in der Zeit, in der du die Geschicke von Doemens geleitet hast, in der Branche und auch im Schulbetrieb verändert?

Dr. Wolfgang Stempfl: Natürlich hat sich die Branche in 30 Jahren stark verändert. Damals war Bier in der öffentlichen Meinung in Deutschland vornehmlich noch ein Grundnahrungsmittel und der Bierkonsum noch ein Drittel höher als heute. Hier hat sich ein starker gesellschaftspolitischer Wandel bis heute vollzogen. Zunächst war die Branche von einer großen Konzentrationswelle geprägt (und ist es auch heute noch), später kam dann die Craft-Bier-Bewegung hinzu. Mein Ziel war es immer, die Wertigkeit und das Ansehen von Bier zu fördern und das Bier, das immer mehr drohte, in die „Sauf- und Billig-Schmuddelecke“ in der öffentlichen Wahrnehmung zu geraten, als hochwertiges, kunstvolles und vielfältiges Genussprodukt zurechtzurücken. Durch die zunehmende Technisierung in den Brauereien waren auch immer weniger Fachleute vonnöten, und die Zahl unserer Absolventen ging zurück. Zwei Überlegungen trieben mich damals um. Zum einen, die Schule auf eine breitere Basis zu stellen. Durch die stärkere Einbeziehung der gesamten Getränkebranche und der Lebensmittelindustrie in unserer Ausbildung und die Erweiterung um nicht-technische Ausbildungen gelang es uns, die Akademie zukunftsfähig zu machen. Zum anderen wollte ich aber auch den Brauereien Wege aufzeigen, wie sie ihr Bier besser vermarkten konnten: weg vom reinen und austauschbaren Grundnahrungsmittel hin zum hochwertigen Genussprodukt. Hier hatte ich die Idee der „Galeristen“, die die „Kunstwerke“ der Brauer der Öffentlichkeit besser zugänglich machen sollten – der Biersommelier war damit geboren! Zugegebenermaßen hatte ich starke Anleihen in der Weinbranche genommen, weil ich das Gefühl hatte, dass dies der richtige Weg war, der bereits Jahrzehnte vor dem Bier begonnen hatte.

Dr. Wolfgang Stempfl bei einer Verkostung

Eines deiner erfolgreichsten Projekte bei Doemens war sicherlich die Ausbildung der Biersommeliers und die Gründung der Genussakademie als nächster logischer Schritt. Wie kommt man auf ein solches Konzept?

Dr. Wolfgang Stempfl: Ich weiß nicht, ob ich es alleine gewagt hätte, die Akademie auf diesen neuen und zunächst sehr steinigen Weg zu führen, ohne den Ruf der Akademie als Kaderschmiede für technische Führungskräfte zu gefährden. Durch einen Glücksfall kam der Stein aber dann sehr schnell ins Rollen. Eines Tages saß mir Axel Kiesbye im Büro gegenüber und fragte mich, was ich von einer Ausbildung zum „Biersommelier“ halten würde. Ich war sofort davon überzeugt, den richtigen Partner gefunden zu haben, mit dem sich dieser Traum verwirklichen lassen würde. Dafür bin ich Axel Kiesbye bis heute sehr dankbar. Er hat mich immer darin bestärkt, dass das der richtige Weg sei. Nach der Ausarbeitung eines endgültigen Konzeptes der Ausbildung haben wir dann zwei Jahre später, das war 2004, dieses damals absolute Neuland betreten und den ersten Kurs gestartet. Und es waren nicht alle Brauer begeistert von dieser Idee. Anfangs wurde ich oftmals beschimpft und sogar bespuckt, weil ich mit dieser Initiative Bier lächerlich machen würde. Davon ließ ich mich aber nicht irritieren, und heute sind diese Stimmen auch verklungen. Der Aufbau der Genussakademie war dann eigentlich nur noch ein logischer Schritt in der Weiterentwicklung von Ausbildungen, Seminaren und Dienstleistungen rund um das Genussprodukt Bier und später auch Wasser.

Wer dich kennt, weiß, dass du dich sicher nicht auf das sogenannte Altenteil zurückziehen, sondern immer noch aktiv in der Branche mitwirken wirst. Was sind deine Pläne für den nächsten Lebensabschnitt?

Wolfgang: Bereits vor einigen Jahren war mir bewusst, dass es Projekte gibt bei Doemens, deren Realisierung einen längeren Zeitraum benötigen. Vor allem die Modernisierung der Infrastruktur und der dringend notwendige Neubau der Akademie sollten von jemandem durchgeführt werden, der die Gestaltung der Prozesse selbst nach den eigenen Wünschen und Zielsetzungen vorantreiben und dann auch die Früchte der dafür notwendigen Arbeit selbst ernten sollte. So bat ich das Präsidium von Doemens frühzeitig, gemeinsam einen Nachfolger zu suchen, der diesen Um- und Neubau der Akademie gestalten sollte. Ich wollte mir bei der Suche und Einarbeitung eines Nachfolgers genügend zeitlichen Spielraum lassen, um sicher zu sein, dass die Zukunft von Doemens in sicheren Händen liegt. Dies ist nun der Fall, und ich werde die nächsten Jahre noch für die Branche und selbstverständlich auch für Doemens in Abstimmung mit den Verantwortlichen die unterschiedlichsten Projekte, für die ich mich begeistern kann, entwerfen, auf den Weg bringen und gegebenenfalls auch erfolgreich an der Umsetzung mitwirken. Was ich nicht machen werde, ist, mich aus dem Hintergrund in die Belange von Doemens einzumischen. Die Entscheidungen liegen jetzt in anderen Händen, und das werde ich ohne Wenn und Aber respektieren. Darüber hinaus werde ich aber auch gerne Seminare, Vorträge und Beratungen für die gesamte Branche durchführen, wie es mir zeitlich möglich erscheint. Langeweile wird da sicherlich nicht aufkommen.

Das heißt im Klartext, dass du keine Funktion(en) mehr bei Doemens in den nächsten Jahren innehaben wirst?

Dr. Wolfgang Stempfl: Genauso ist es. Ich werde Doemens lediglich beratend zur Seite stehen.

Dr. Wolfgang Stempfl sticht einFass an

Was wirst du am meisten vermissen?

Dr. Wolfgang Stempfl: Was mich immer fasziniert hat bei Doemens, war die Entwicklung von Projekten im Teamwork. Ich bin begeistert vom gesamten Doemens-Team – und da zähle ich auch unser Präsidium dazu. Das hat mir immer große Freude gemacht und das wird jetzt natürlich weniger werden.

Welche Wünsche gibst du deinem Nachfolger Dr. Gloßner mit auf den Weg?

Dr. Wolfgang Stempfl: Dr. Werner Gloßner weiß genau, was er will, und er setzt alle seine Ideen auch zügig und konsequent um. Ich bin mir sicher, dass er Doemens in eine prosperierende Zukunft führen wird. Das wünsche ich ihm natürlich mit dem sicheren Gefühl, dass er das auch machen wird.

Dr. Wolfgang Stempfl gibt ein Fernsehinterview

Was ist dein absolutes Yes-Projekt gewesen?

Dr. Wolfgang Stempfl: Es ist nicht ganz einfach, ein einzelnes Yes-Projekt hervorzuheben, denn in den 30 Jahren hat es eine ganze Menge davon gegeben. Eines aber war sicher die Entwicklung, die die World Brewing Academy (WBA) genommen hat. Anfänglich war nicht abzusehen, dass wir die Internationalisierung der Ausbildung so gut auf die Beine stellen würden. Heute ist die WBA zu einem der erfolgreichsten Geschäftszweige geworden. YES. YES. YES. Aber auch das Institute of Masters of Beer (IMB) gehört sicherlich zu den Yes-Projekten. Gerade, weil wir am Anfang sehr viel – in meinen Augen absolut unberechtigten – Gegenwind aus der Branche hinnehmen mussten. Nur unsere feste Überzeugung und die Beharrlichkeit, die wir an den Tag gelegt haben, mit dem IMB einen Meilenstein in der Ausbildung vieler wissenshungriger Bierprofis entwickelt zu haben, haben bewirkt, dass auch das IMB heute sehr viel Spaß macht und zu einer tollen Dienstleistung für die gesamte bierorientierte Branche geworden ist. Aber wenn ich jetzt noch weitere Yes-Projekte aufzählen würde, würde ich vielleicht zu sehr ins Schwärmen geraten (…).


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