Als Oecotrophologin und Brot-Sommelière nehme ich in unserer Kolumne Brotkrümel Ernährungsmythen über Brot unter die Lupe.
Lebensmittel, Ernährung und Ernährungstrends faszinieren mich. Es ist eine bunte und vielfältige Welt, die einem stetigen Wandel unterliegt und niemals langweilig wird. Sie folgt aber auch bestimmten Regeln und Rhythmen, nach denen man gewissermaßen die Uhr stellen kann. Es ist beispielsweise so sicher wie das Amen in der Kirche, dass nächstes Frühjahr wieder mehrere neue Wunder-Diäten entdeckt werden. Genauso sicher wird spätestens im Sommerloch der nächste Lebensmittelskandal durch die Medien rollen. Und ein weiteres Phänomen, auf das stets Verlass ist, ist das Verherrlichen und spätere Verteufeln einzelner Lebensmittel. Aktuelles Beispiel gefällig? Die Hefe. Immer häufiger höre ich die Frage, ob die Hefe im Brot nicht ungesund sei. Ob sie nicht Infektionen hervorrufen könne. Oder ob sie denn auch vegan sei. Da frage ich mich, was aus den Zeiten geworden ist, als sich die Leute noch kiloweise Bierhefetabletten für teuer Geld im Reformhaus kauften und in der Aussicht auf schöne Haut, Haare und Nägel ganze Mahlzeiten damit ersetzten. Manchmal ist es selbst für mich nicht nachvollziehbar, wie ein bislang positiv besetztes Lebensmittel von einem auf den anderen Moment ein negatives Image bekommt, das sich wie ein Lauffeuer verbreitet. Die ersten Brote werden inzwischen mit der Aufschrift „ohne Hefe“ beworben und bekräftigen damit den Irrglauben, dass es sich um etwas Schädliches handeln könnte. „Aber wenn es der Verbraucher nun mal wünscht“, werden die Anbieter argumentieren. Zumal es ja tatsächlich so etwas wie eine Hefeallergie gibt, die aber äußerst, äußerst selten ist. Für die breite Masse ohne Allergie ist Hefe nach wie vor eine gesunde Zutat, der Brot einen wichtigen Anteil seiner Nährstoffe verdankt, namentlich B-Vitamine, Zink und Kalium. Mal abgesehen davon ist Hefe unerlässlich für die Teiglockerung. Und nein, Sauerteig ist kein Ersatz, denn auch der funktioniert nicht ohne Hefe. Leider geht es Lebensmitteln nicht anders als Politikern: Werden sie einmal in einen negativen Zusammenhang gebracht, ist die Karriere in der Regel vorbei, egal wie haltlos die Vorwürfe sind und egal, wie oft diese von verschiedenen Seiten dementiert werden. Da wir Deutschen eine Brotnation sind, die Hefegebäck liebt, und Hefe ohnehin aus der Herstellung von Backwaren nicht wegzudenken ist, bin ich jedoch zuversichtlich, dass sie diese Verleumdungsphase überstehen wird. Hefe lässt sich eben nicht so einfach ersetzen wie andere Lebensmittel. Oder Politiker.
Wer noch weitere Fragen rund um ernährungswissenschaftliche Aspekte im Hinblick auf Brot hat, die in der Kolumne mal besprochen werden sollten, kann diese gern an branchentreff@kommunikationpur.com schicken.
Dieser Beitrag erschien erstmalig im BÄKO-magazin.
Darf man bei einer Histaminintoleranz eigentlich Brot essen? Die Antwort darauf findet ihr hier.