Es ist Freitagabend, große Vorfreude auf das Wochenende. Die Kinder schlafen und ich habe es mir auf der Couch gemütlich gemacht. Hungrig bin ich nach dem Abendessen eigentlich nicht mehr. Eigentlich … Denn irgendwie zieht mich der Schrank, hinter dem sich die salzigen Naschereien verbergen, magisch an.
Na gut, ein paar Chips passen schon noch rein. Mittlerweile versuche ich mich selbst zu überlisten, indem ich nicht in die geöffnete Chipstüte greife und mir die knusprigen, gewürzten Kartoffelscheibchen in den Mund schiebe. Stattdessen hole ich mir eine kleine (!) Schale und fülle die Chips hinein. Manchmal funktioniert das auch ganz gut und ich verstaue die restlichen Chips wieder brav im Schrank. In den meisten Fällen jedoch wird das unschuldige kleine Schälchen einfach immer wieder aufgefüllt und die Chips haben mal wieder mich überlistet anstatt andersherum. Schon beim ersten Knuspern im Mund scheint mir mein Gehirn sagen zu wollen: „Gib mir mehr davon!“. Doch woran liegt das? Machen Kartoffelchips süchtig? Und wenn ja, warum? Wir haben uns dieses Phänomen einmal genauer angeschaut …
Hedonische Hyperphagie
Dieser Begriff beschreibt wissenschaftlich genau dieses Phänomen. Hyperphagie bezeichnet ein übermäßiges Hungergefühl und hedonisch bedeutet „etwas auf das subjektive Wohlempfinden abzielende“. In einfachen Worten: Chips sind wie Drogen.
Forscher aus Erlangen haben in einer Studie ein bestimmtes Verhältnis aus Fett und Kohlenhydraten festgestellt, das Lebensmittel für uns besonders ansprechend macht: die sogenannte Naschformel. Sie kamen unter anderem zu dem Ergebnis, dass, je höher unser Body Mass Index (BMI) ist, umso stärker wird beim Verzehr von Kartoffelchips unser Belohnungszentrum im Gehirn aktiviert. In der Studie aßen die Probanden zuerst Kartoffelchips und drei Tage später Zucchini. Jeweils vor und nach dem Verzehr wurden ihre Gehirne mithilfe eines Kernspin durchleuchtet. Es war deutlich zu sehen, dass, abhängig vom BMI der jeweiligen Person, sich eine bestimmte Struktur im Gehirn veränderte: der „Nucleus accumbens“, eine Region, die einen wichtigen Teil unseres Belohnungssystems unseres Gehirns darstellt. Die positive Folge für uns: Wir fühlen uns wohl und behaglich. Die Crux bei der Sache ist: Unser Gehirn fordert zunehmend mehr davon. Und hierbei spielt insbesondere die Zusammensetzung zweier Stoffe eine entscheidende Rolle.
Die Naschformel
Die Forscher fanden heraus, dass Kartoffelchips ein Verhältnis von 35 Prozent Fette zu 45 Prozent Kohlenhydraten aufweisen. Genau dieses Verhältnis gibt unserem Körper, wonach er sich sehnt. Der Grund dafür liegt übrigens in unserer Evolution. Nahrung war in der Geschichte der Menschheit zumeist Mangelware. Damit unser Körper „funktioniert“ und unsere Energiebilanz stimmt, sind zwei Stoffe von immenser Bedeutung: Kohlenhydrate für die schnelle Energie und Fette als Energiespeicher. Kartoffelchips vermitteln unserem Gehirn also, mit ihrem ausgeklügelten Verhältnis dieser zwei Stoffe, dass wir immer mehr davon brauchen, um unseren Körper „funktionsfähig“ zu halten.
Und für alle, die jetzt gerade aufatmen, weil sie nicht der Chips-Liebe verfallen sind: Das Naschformel-Verhältnis von Fetten zu Kohlenhydraten findet sich übrigens auch in Schokolade, Erdnussflips oder Müsliriegeln wieder. 😉
Kartoffelchips Fun Facts
Zum Schluss gibt es hier noch ein paar lustige Fakten rund um die beliebten, knusprigen Kartoffelscheibchen:
Allein in Deutschland findet man Kartoffelchips in rund 700 verschiedenen Geschmacksrichtungen in den Supermärkten. „Paprika“ steht dabei schon seit Jahren unangefochten auf Platz 1 der beliebtesten Sorten. Insgesamt vertilgt jeder Deutsche im Schnitt 1,5 kg Chips pro Jahr.
„The Whole Shabang“ ist eine Marke, die es zuerst nur in amerikanischen Gefängnissen gab. Hierbei scheint die Naschformel besonders gut funktioniert zu haben, denn die ehemaligen Insassen stellten nach ihrer Entlassung unzählige Anfragen an das produzierende Unternehmen, sodass die Marke nun auch im öffentlichen Handel zu kaufen ist.
Neuer Job gefällig? Wie wäre es denn mit Sound-Designer für Lebensmittel? Diesen Beruf gibt es tatsächlich und er sorgt unter anderem dafür, dass sich das „Krrsch“ beim Ab- und Zerbeißen eines Kartoffelchips, Keks oder Ähnliches genau richtig für uns Chips-Liebhaber anhört.
Erst seit 1953 werden Chips in Tüten gefüllt. Damals noch aus Wachspapier gefertigt, sorgen die heutigen Chipstüten dafür, dass die Scheibchen knusprig bleiben und, da sie zusätzlich mit Stickstoff gefüllt werden, während Transport und Lagerung nicht in kleinste Teilchen zerbröseln.
Übrigens: Die Wissenschaftler aus Erlangen raten am Ende ihrer Studie Chips-Liebhabern dazu, sich immer nur ein kleines Schälchen mit Chips zu füllen. Gut, so weit war ich auch schon. 😉 Aber ich werde es weiter versuchen. Und wer weiß, vielleicht überliste ich so ja irgendwann doch mein Gehirn und damit die Naschformel der Chips-Industrie …
Wenn ihr eher der süße Typ seid und euch für Zucker-Alternativen interessiert, dann schaut doch mal in unseren Blogbeitrag zu Birkenzucker, Stevia & Co.