Als Oecotrophologin und Brot-Sommelière nehme ich in unserer Kolumne Brotkrümel Ernährungsmythen über Brot unter die Lupe.
Neulich las ich in einem Forum (und das war nicht das erste Mal): „Weißmehl ist böse, und Backwaren aus hellem Mehl enthalten nur leere Kalorien.“ Aha! Leere Kalorien, was soll das bitte bedeuten? Kalorie ist eine Energieeinheit, und um zu überleben, benötigt unser Körper Energie. In unserer westlichen Welt leiden wir sicherlich nicht an einem Energiemangel, sondern ernähren uns im Gegenteil eher kalorienreich. Mit dem Begriff „leere“ Kalorie ist also nicht energiearm, sondern nährstoffarm gemeint. Nährstoffarm bedeutet, dass ein Lebensmittel keine Vitamine, Mineralstoffe und Ballaststoffe enthält. Und das soll jetzt auf helles Mehl und Backwaren daraus zutreffen?
Nehmen wir doch mal das klassische Haushalts- und Kuchenmehl: Weizenmehl Type 405. Es verfügt über gute Backeigenschaften und eignet sich hervorragend für die Herstellung von Kuchen, feinen Backwaren und Weißbrot. Es enthält auf 100 g: 10,6 g Eiweiß, 1 g Fett, 71 g Kohlenhydrate, 4 g Ballaststoffe. Hinzu kommen 2 mg Natrium, 108 mg Kalium, 15 mg Calcium, 74 mg Phosphor, 1,5 mg Eisen sowie verschiedene B-Vitamine. Gar nicht so nährstoffarm wie behauptet. Zugegeben, im Vergleich zu Vollkornmehl schneidet Weißmehl natürlich schlechter ab, aber auch ein Apfel hat beispielsweise nur 2 g Ballaststoffe auf 100 g, also nur halb so viel wie 100 g Weizenmehl.
Streiten kann man sicherlich auch darüber, was besser sättigt: Backwaren aus Weißmehl oder aus Vollkornmehl. Der Ballaststoffanteil in Vollkornmehl liegt zwischen 11,7 g und 13,9 g pro 100 g. Durch die faserige Struktur einiger Ballaststoffe müssen Lebensmittel mit hohem Ballaststoffgehalt länger und intensiver gekaut werden. Sie haben die Eigenschaft, Wasser zu binden und aufzuquellen; dies führt zu einem größeren Volumen des Speisebreis im Magen und sorgt für eine lang anhaltende Sättigung. Eine ballaststoffreiche Nahrung lässt den Blutzuckerspiegel langsamer und gleichmäßiger ansteigen, und zusätzlich können Ballaststoffe Schadstoffe wie Schwermetalle binden. Dennoch ist Weißmehl nicht böse, und auch die daraus hergestellten Backwaren sind es nicht. Allgemein betrachtet versorgen uns Getreide und Getreideerzeugnisse mit wichtigen Nährstoffen. Durch ihre komplexen Kohlenhydrate liefern sie uns Energie. Ballaststoffe bringen unseren Darm in Schwung. Wie immer im Leben kommt es auf das richtige Maß an. Wer lieber ein helles Brötchen statt eines Vollkornbrötchens isst, braucht kein schlechtes Gewissen zu haben.
Wer noch weitere Fragen rund um ernährungswissenschaftliche Aspekte im Hinblick auf Brot hat, die in der Kolumne mal besprochen werden sollten, kann diese gern an branchentreff@kommunikationpur.com schicken.
Dieser Beitrag erschien erstmalig im BÄKO-magazin.
Wer sein Wissen rund um Brot weiter vertiefen und sich zukünftig intensiver mit der Verkostung verschiedener Brotsorten beschäftigen möchte, dem empfehle ich unseren Beitrag zum Tag des deutschen Brotes. Mit einem Klick wird die Frage beantworten, ob Brot eine gefällige Beilage oder ein Kombiheld für den perfekten Genussmoment ist.