Die Corona-Krise. Man sitzt zu Hause. Restaurants sind geschlossen, in den Supermarkt geht’s nur noch mit Maske. Die Wochenmärkte sind überfüllt. Schlange stehen, ist angesagt und richtig wohl fühlt man sich unter so vielen Menschen ohnehin nicht mehr. Pizza hat man schon zu oft bestellt. Man würde ja das Geld, das man für fehlende Freizeitaktivitäten – Kino, Urlaub, Fitnessstudio – eingespart hat, gerne für gutes Essen ausgeben, aber tatsächlich ist das gar nicht mehr so einfach. Aber Moment! Es gibt doch Bio-Kisten-Lieferdienste. Regionales, saisonales, frisches Gemüse wird regelmäßig direkt vor die Haustür gebracht. Zeit zum Koch hat man auch. Perfekt in der Pandemie! Denkt man sich so. Denken sich viele so. Und deswegen ist auch das gar nicht mehr so einfach. Bio-Kisten-Anbieter können den Ansturm kaum noch bewältigen. Wer Kunde werden möchte, landet erstmal auf einer Warteliste.
Bio-Boom oder Bio-Dauerbrenner?
Gefühlt boomt Bio ja andauernd. Seit Bio in den Reformhäusern der 80-Jahre sein Nischendasein begann, boomt es alle Jahre wieder. Vielleicht auch nur weil Bio und Boom ein so schönes Wortpaar bildet. Aber diesmal boomt es wirklich. Laut dem Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft e.V. (BÖLW) verzeichnete Bio 2020 ein Umsatzplus von satten 22,3 Prozent und legte damit etwa doppelt so stark zu wie der Lebensmittelmarkt insgesamt. Ein Krisen-Gewinner mit Ansage, denn schon vor der Pandemie bescherte der immer lautere Ruf nach mehr Nachhaltigkeit der Bio-Branche eine Umsatzsteigerung von fast 10 Prozent. Was vor der Krise wichtig war, ist in der Krise noch wichtiger geworden, jedenfalls beim Essen. Tönnies trug seinen Teil dazu bei, ebenso die sich verbreitende Erkenntnis, was eigentlich Zoonosen sind. Hinzu kam die viele Zeit, die man plötzlich hatte, um selbst Essen zuzubereiten. Und dass man auch ohne Zeit kaum eine andere Wahl hatte.
Wie viel Bio steckt hinter dem „Boom“?
Weil man schon so oft gelesen hat, dass Bio gerade boomt, könnte man meinen, dass alle Welt nur noch Bio isst. Dem ist selbstverständlich nicht so. Gemessen am Gesamtmarkt hatten Bio-Lebensmittel in Deutschland 2020 „gerade mal“ einen Anteil von 6,4 Prozent, Boom hin oder her. 2019 waren es 5,7 Prozent, da sprach Foodwatch noch von einer Mär des Bio-Booms und konstatierte, Bio sei nach wie vor Nische. Aber angesichts der Omnipräsenz von Bio-Lebensmitteln selbst in Discountern wie Aldi und Lidl scheint „Nische“ wahrlich keine zutreffende Begrifflichkeit mehr zu sein. 2010 lag der Marktanteil von Bio-Lebensmitteln bei 3,7 Prozent – heute bei 6,4 Prozent. Und was exponentielles Wachstum bedeutet, haben wir ja nun alle gelernt. Zugegebenermaßen ist eine Verdopplungszeit von mehr als zehn Jahren eine, die man sich vielleicht bei einem Virus wünscht, aber nicht unbedingt bei Lebensmitteln erwartet, die schon seit 40 Jahren boomen. Dennoch: Spinnt man das Gedankenexperiment weiter und verdoppelt den Marktanteil alle 10 Jahre, würden wir 2060 nur noch Bio essen. Rein theoretisch jedenfalls. Praktisch gibt es da natürlich viele Wenn und Abers. Und aktuell kommt man ja nicht mal an eine Bio-Kiste.
Die Bio-Kiste boomt besonders
Die Bio-Kiste ist nicht neu. Schon lange bieten einige Bio-Betriebe den Service an, eine frisch gepackte Kiste mit Bio-Lebensmitteln direkt an die Haustür zu liefern. Wahlweise mit dem, was der Acker gerade hergibt, oder auch einer individuell zusammengestellten Auswahl. Meist im Abo, das heißt jede Woche steht automatisch eine neue Kiste vor der Tür. Der Ansturm auf solche Bio-Kisten-Abos schon im ersten Lockdown wundert kaum. Gesund, aus der Region und dann auch noch direkt vor die Tür, ohne Ansteckungsgefahr und im Homeoffice jederzeit gut entgegenzunehmen. Ein Konzept wie gemacht für eine Pandemie. Die Folge: Online-Shops sind unter zu vielen Bestellungen zusammengebrochen, Neukundenstopps wurde eingeführt, weil Anbieter an ihre Kapazitätsgrenzen kamen, obwohl bis in die Nacht Kisten gepackt wurden. Viele haben inzwischen aufgestockt, doch wer aktuell eine Bio-Kiste abonnieren will, landet höchst wahrscheinlich immer noch auf einer Warteliste.
Wie viel Bio und Abo nach der Pandemie bleiben, ist abzuwarten. 2020 wird sicher als Peak in die Statistik eingehen. Dass der Trend dauerhaft nach unten zeigt, ist aber unwahrscheinlich.
Die Bio-Branche zählt definitiv zu den Coviteuren. Was das ist? Hier geht’s zum Artikel „Coviteure“ ist Trendwort 2021. Und wie die Pandemie unser Essverhalten allgemein beeinflusst hat, könnt ihr hier nachlesen: Essen in Coronazeiten: So hat sich unser Essverhalten geändert.