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Die Top 5 Ernährungsmythen

Zu den häufigsten Ernährungsmythen zählt, dass Vitamin C gegen Erkältung hilft.

In kaum einem anderen Feld tummeln sich so viele Mythen wie in dem der Ernährung. Warum ist das so? Zum einen ist die Ernährungswissenschaft eine vergleichsweise junge Disziplin – erst in den 60er-Jahren entstand in Deutschland der erste Studiengang dazu. Zum anderen kann man Menschen nicht so einfach über einen längeren Zeitraum einsperren und unter Ausschluss anderer (Umwelt-)Faktoren messen, was oben hineinkommt, unten hinausgeht und welche Langzeitwirkung das auf die Gesundheit hat. Und Tierversuche sind nicht eins zu eins übertragbar. Das macht es einigermaßen schwierig, zu gesicherten Erkenntnissen zu kommen, und führt dazu, dass geltende Empfehlungen aufgrund neuer, besserer Daten auch immer mal wieder geändert werden. Hinzu kommt, dass Ernährung ein sehr emotionales Thema ist und viel mit Gefühl und Glauben zu tun hat. Menschen sind schnell davon überzeugt, dass ihnen etwas gut oder schlecht tut, auch wenn es keine wissenschaftliche Grundlage dafür gibt. Solange es plausibel klingt, wird es schnell als Fakt akzeptiert. Die Medien tun ihr Übriges dazu, Ernährungsmythen zu befeuern oder neue zu verbreiten. Denn Essen ist heute nicht nur dazu da, zu überleben. Wir können damit auf unsere Gesundheit Einfluss nehmen und – für viele noch wichtiger – vermeintlich auch unsere Schönheit. Wir könnten damit Identität schaffen und etwas über uns aussagen. Alles Aspekte, die uns brennend interessieren und damit ein gefundenes Fressen für die Medien sind.

Wir klären fünf der hartnäckigsten und weitverbreitetsten Ernährungsmythen auf.

1. Kohlenhydrate am Abend machen dick.

Trotz klarer Statements dazu von allen seriösen Ernährungsinstitutionen – man bekommt ihn nicht aus den Köpfen der Menschen, den Irrglauben, dass am Abend verzehrte Kohlenhydrate direkt als Poster auf den Hüften landen. Hervorgegangen ist der Mythos aus der ebenfalls haltlosen Annahme, dass Kohlenhydrate allgemein dick machen. Dabei können kohlenhydrathaltige Lebensmittel – besonders Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte und Gemüse – wertvolle Vitamine, Mineralstoffe und Ballaststoffe liefern und gut und lang anhaltend sättigen. Gut, wer sich abends (oder tagsüber) regelmäßig über Schokolade, Chips und Nudeln in Sahnesoße her macht, der braucht sich nicht wundern. Da hilft es aber auch nicht, sie durch geröstete Erdnüsse, Bifi und Wiener Schnitzel zu ersetzen. Auch nicht, wenn man die Panade weglässt.

2. Für Sojaprodukte wird der Regenwald abgeholzt und die enthaltenen Hormone verursachen bei Frauen Brustkrebs und bei Männern Impotenz.

Ja, für den Anbau von Soja wird Regenwald abgeholzt. Der Soja, der dort angebaut wird, dient aber überwiegend als Futtermittel für die Tiermast. In Europa erzeugte Lebensmittel aus Soja für den menschlichen Verzehr bestehen in der Regel aus nachhaltig angebauten, nordamerikanischen oder europäischen Sojabohnen. Denn auch in Frankreich, Italien, Österreich und sogar Deutschland wächst die gesunde Hülsenfrucht. Wer etwas gegen die Abholzung des Regenwalds tun will, sollte also lieber auf Fleisch verzichten und sich stattdessen ein Tofu-Schnitzel braten. Auch über die enthaltenen Hormone muss man sich hierbei keine Sorgen machen. Es stimmt zwar, dass Soja Phytoöstrogene enthält, sekundäre Pflanzenstoffe, die dem weiblichen Sexualhormon Östrogen ähneln. Eine Auswirkung auf die Zeugungsfähigkeit bei Männern konnte in klinischen Studien jedoch nicht nachgewiesen werden und auch, dass Männer von Sojakonsum Brüste wachsen würden, kann man getrost als Unfug abhaken. Bezüglich des Brustkrebsrisikos bei Frauen deutet der aktuelle Stand der Forschung zudem eher darauf hin, dass der regelmäßige Verzehr von Soja einen protektiven Effekt haben könnte, als dass er das Risiko erhöht.

3. Bei Erkältung hilft ein Glas heiße Zitrone.

In dieser Aussage verbergen sich gleich zwei Ernährungsmythen auf einmal: Nämlich, dass Zitrone besonders viel Vitamin C enthält, und dass Vitamin C bei Erkältungen hilft. 100 Gramm Zitrone enthalten 50 mg Vitamin C. Das ist jetzt nicht ganz schlecht, wird aber schon von Erdbeeren mit 55 mg/100 g leicht übertroffen. Gravierender ist der Unterschied zu Paprika: Die grüne Ausgabe enthält mehr als das Doppelte (115 mg/110 g), die rote fast das Dreifache (140 mg/100 g). Auch allerlei Kohlsorten sowie weiteres Gemüse und Obst können die Zitrone im Vitamin-C-Gehalt übertrumpfen. Wobei man dazu sagen muss, dass man Kohl meist kocht und Vitamin C hitzeempfindlich ist. Was aber die Idee, Zitronensaft mit heißem Wasser zu übergießen, zu einer umso schlechteren macht. Absolute Vitamin-C-Spitzenreiter sind übrigens einige exotische Früchte, darunter die Acerolakirsche mit 1700 mg/100 g. Da die Zufuhrempfehlung aber gerade mal bei 110 mg pro Tag für Männer und 95 mg pro Tag für Frauen liegt, lässt sich diese sehr einfach auch durch heimische Lebensmittel decken. Importiertes „Superfood“ ist überflüssig. Und zum Kurieren einer Erkältung ist eine erhöhte Vitamin-C-Zufuhr ohnehin nicht geeignet, wie Studien inzwischen belegen. Vitamin C ist wasserlöslich und alles, was an Zuviel reinkommt, wird einfach ausgeschieden. Das ist nicht schädlich, bringt aber auch nichts.

4. Von Bier bekommt man einen Bierbauch.

Schwanger vom Bier trinken? Oft wird der runde Kugelbauch bei Männern auf einen zu hohen Konsum des beliebten Gerstensafts geschoben. In der prallen Kugel befinden sich in der Regel aber noch andere Dinge als Bier. Übergewicht entsteht durch eine zu hohe Kalorienzufuhr und auch Bier kann mit 43 kcal pro 100 ml (Pils) einiges dazu beitragen. Darauf, an welcher Stelle genau sich die überflüssigen Kilos anlagern, hat Bier jedoch – ganz nüchtern betrachtet – keinen Einfluss.

5. Saft ist gesünder als Limonade.

Nun ja, Saft liefert zwar ein paar Vitamine, mit denen Limonaden nicht aufwarten können, im Zucker- und Kaloriengehalt steht Saft aber Cola & Co. in nichts nach. Und besser ist es ohnehin, den ganzen Apfel zu essen und nicht nur seinen Saft zu trinken. An dieser Stelle sei auch gleich der Smoothie-Hype entzaubert: Die eigene Kiefermuskulatur zu entlasten und dafür nur das Knöpfchen am Mixer zu drücken, hat keine ernährungsphysiologischen Vorteile.

Mehr Ernährungsmythen speziell zum Thema Brot klären wir auch in unserer Kolumne „Brotkrümel“ auf. Zum Beispiel, dass Weißbrot nur leere Kalorien enthält oder was dran ist, an der Weizenwampe.

 


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Autorin: Sarah Fischer
Datum: 18.10.2019



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