Hanni Rützler betrachtet in ihrem Food Report 2023 die vielfältige Zukunft des Fleischkonsums. Plant-based Food gehört zu einem der wichtigsten Food-Trends und ist längst nicht mehr unter Veganer*innen und Vegetarier*innen das Top-Thema, Fleisch verliert immer weiter seine Rolle als Leitprodukt. Die fleischlose Ernährung ist nicht mehr nur geprägt von pflanzenbasierten Produkten, sondern auch von neuen Alternativen, die sowohl Fleisch genauso wie Fisch in Geschmack und Textur ähneln. Neben den Fleischalternativen und Branchenvorreitern stellt sich Hanni Rützler zudem die Frage, welche Herausforderungen noch gemeistert werden müssen und welche disruptiven Technologien unser Lebensmittelsystem verändern könnten.
Der Aufschwung fleischloser Ernährung
Bereits in den 1960er-Jahren war der stark gestiegene Fleischkonsum Teil einer gesundheitlichen Debatte. Mediziner*innen und Ernährungswissenschaftler*innen sprachen sich für weniger Fleisch aus. Mittlerweile ist dieser gesundheitliche Aspekt in den Hintergrund gerückt, ethische und ökologische Gründe stehen nun im Vordergrund. Zum einen aus der Perspektive des Tierschutzes und Tierwohls, zum anderen aufgrund des Klimawandels und der Auswirkungen auf die Umwelt. Die industrielle Massentierhaltung und der Verzehr tierischer Produkte passen in beide Argumentationen nicht hinein.
Die Bedeutung einer fleischlosen beziehungsweise tierfreien Ernährung ist insbesondere bei der jüngeren Generation angekommen. 40 Prozent der jungen Erwachsenen hinterfragen ihren Fleischkonsum, 12 Prozent ernähren sich bereits vegetarisch oder vegan. Fridays for Future hat der Debatte weiteren Auftrieb gegeben. Die Frage ist klar: Ist es in Ordnung, Tiere zu töten, um sie zu essen? Und damit nicht nur Tierleid in Kauf zu nehmen, sondern auch den Klimawandel?
Alt-Protein ist das neue Protein
Bei Alt-Protein geht es nicht nur um Lebensmittel, die ohne Tier auskommen, sondern vor allem auch um das Mittel zur Veränderung. Das fängt bereits damit an, die Fleisch-, Milch- und Fischindustrie sowie Landwirtschaft nachhaltiger zu gestalten. Hanni Rützler stellt fest, dass die Frage nicht mehr lautet, ob wir in Zukunft noch Fleisch essen, sondern welches. Antworten darauf gibt es viele: pflanzlicher Fleischersatz, Pilze, Insekten, Algen, mikrobielle Fermentation, kultiviertes Fleisch aus tierischen Zellen sowie Fleisch aus biologischer Haltung. Das Thema der Alt-Proteine wird allerdings so massiv gestärkt, dass die kulinarische Vielfalt, die Fleisch nicht ersetzen oder imitieren soll und trotzdem zu einer ausgewogenen und gesunden Ernährung beiträgt, oft in Vergessenheit gerät. Die Rede ist von Gemüse, Getreide und Hülsenfrüchten. Plant-based nimmt an Fahrt auf, täglich kommen weltweit neue Produkte auf den Markt. Während zuvor Soja Hauptrohstoff für Ersatzprodukte war, sind nun auch Erbsen, Hülsenfrüchte, Lupinen oder Exoten wie Jackfruit beliebt. Vegane Fleisch- und Milchersatzprodukte sind mittlerweile nicht mehr außergewöhnlich, sondern Mainstream geworden. Wie solche Ersatzprodukte aufgegriffen werden und welchen Stellenwert sie erhalten, hängt davon ab, welche Bedeutung die traditionelle Esskultur hat. Der erlernte Geschmack und die lebenslange Gewöhnung an Fleisch(produkte) sind Hürden, die bei der Ernährungsumstellung überwunden werden müssen.
Hightech auf dem Teller
Es scheint, als ob Produktinnovationen nur noch bei veganen Ersatzprodukten möglich wären. Diese sind in den Mittelpunkt der Lebensmittelindustrie gerückt. Denn es geht allen voran um das Thema „tierfrei“ und nicht um frische, unverarbeitete Lebensmittel. Dieser neue Fokus öffnet die Türen für hochverarbeitetes, ausgeklügeltes Hightech Food. Die Kunst ist es, den gewohnten Geschmack und die Konsistenz von Fleisch, Wurst und Fisch nachzumachen. Durch neue Technologien wird dieses Ziel immer besser erreicht.
Insbesondere vegane Burger-Patties oder vegane Würstchen sind kaum noch vom „Original“ zu unterscheiden. Schwieriger wird es bei einem ganzen Stück Fleisch. Vegane Rindersteaks gelten noch als die Herausforderung schlechthin. Und auch Cell-cultured Meat, das mithilfe von Zellkulturtechniken produziert wird, steckt noch in den Kinderschuhen. Kultiviertes Fleisch kommt geschmacklich an das traditionelle Fleischprodukt heran, der Weg hin zum Supermarktregal ist aber noch ein langer. Und das nächste große Ding? Präzisionsfermentation. Wir sind gespannt und behalten die Entwicklungen natürlich für euch im Auge.
Im Food Report 2023 spielt außerdem die Fusionsküche eine entscheidende Rolle. Hanni Rützler analysiert, was mit dem Begriff „Fusion“ im Essalltag gemeint ist und welche Einflussfaktoren diesen Trend steuern.