Als Oecotrophologin und Brot-Sommelière nehme ich in unserer Kolumne Brotkrümel Ernährungsmythen über Brot unter die Lupe. Eine der häufigsten Fragen, die mir in über zehn Jahren als Biersommelière und nun genauso als Brot-Sommelière gestellt wurde, ist die nach dem guten Bier oder dem guten Brot. Natürlich können wir Fachsommeliers auf eine solche Frage eine umfassende und fachlich bestens begründete Antwort geben, die sich um Aromaprofile und messbare Qualitätskriterien dreht. Ich antworte jedoch immer, dass ein gutes Bier, ein gutes Brot für jeden Verbraucher etwas anderes ist und es in erster Linie ein gutes Brot ist, wenn es demjenigen schmeckt, der es genießt. Ich weiß, dass ich da mit vielen meiner Kollegen nicht auf der gleichen Welle schwimme, die der Meinung sind, dass das eine zu einfache und nicht korrekte Antwort ist. Ja, natürlich sind wir Botschafter des Brotes, wollen Verbrauchern Entscheidungskriterien an die Hand geben und sie sensorisch schulen. Wir wollen ihnen die vielfältigen Geschmacksnuancen nahebringen und sie mit unserer Begeisterung anstecken. Das ist alles richtig. Aber ich bin schon mal sehr begeistert, wenn Teilnehmer in meinen Verkostungen Biere und Brote schätzen und diese auch konsumieren. Das ist doch die allerbeste Ausgangslage, um mit dem Wissen um komplexe, spannende Geschmacksprofile, der Vorstellung der Vielfalt deutscher Brotkunst und der geschichtlichen Tradition als größte Brotnation Gehör zu finden und zu begeistern. Auch wenn jemand „nur“ Toastbrot isst, dann ist das doch ein Ansatz, um ihn mit meinem Wissen weiterzubringen. Denn wir konkurrieren mit dem Brot täglich mit zig Alternativen um die Gunst und den Teller der Verbraucher. Im Zeitgeist der Low-Carb-Strömung haben wir bei „Nur-Toastessern“ doch schon Befürworter für den Brotkonsum. Dann ist es im nächsten Schritt unsere Aufgabe als Bäcker und Brot-Sommeliers, ihnen den Mund wässrig zu machen und die tolle Vielfalt deutscher Brotkreationen mit verschiedensten Aromen aufzuzeigen. Jemand, der kategorisch kein Brot isst, weil es dick macht, weil man nach 18 Uhr keine Kohlenhydrate mehr essen soll, weil Weizen dumm macht und welche Argumente gegen Brotverzehr als Mythen so im Raum stehen, vom Gegenteil zu überzeugen, bedeutet sehr viel mehr Arbeit. Vom Toastbrot ist man schnell beim Bäcker-Toast, von dem es jüngst immer mehr tolle Varianten gibt, und dann Schritt für Schritt bei anderen Brotspezialitäten. Geschmack ist trotz aller Wissenschaft immer noch ein subjektives, ein individuelles Empfinden. Wir Brotkenner können auf der Geschmacksreise Impulse geben und lenken, aber sollten nicht dogmatisch bestimmen.
Wer noch weitere Fragen rund um ernährungswissenschaftliche Aspekte im Hinblick auf Brot hat, die in der Kolumne mal besprochen werden sollten, kann diese gern an branchentreff@kommunikationpur.com schicken.
Dieser Beitrag erschien erstmalig im BÄKO-magazin.
Und wer sich intensiver mit dem Thema beschäftigen will, für den ist der Beitrag über Sauerteigbrot perfekt.