Direkt zum Inhalt wechseln
Zurück zur Übersicht

Müde nach dem Essen – wenn das Fresskoma zuschlägt

Müde nach dem Essen? Das hat biologische Gründe.

Die meisten werden sie nur allzu gut kennen: die lähmende Müdigkeit nach dem Essen. Ganz besonders, wenn es ein üppiges Essen war. Oft begleitet von Kälte, Abgeschlagenheit und absoluter Kreativ- und Antriebslosigkeit. Die Aufmerksamkeitsspanne, Reaktions- und Leistungsfähigkeit ist merklich reduziert. Was steckt hinter dem sogenannten Fresskoma, wodurch genau entsteht es und was kann man dagegen tun?

Grund 1: Verdauen ist Schwerstarbeit

Zur Erklärung der postprandialen Müdigkeit bzw. der postprandialen Somnolenz, wie das Fresskoma in der Fachsprache heißt, gibt es mehrere Theorien und Ansätze. Ein Hauptgrund ist sicherlich, dass Verdauen für den Körper schlichtweg eine ganze Menge Arbeit bedeutet. Das Essen muss durch den Verdauungstrakt transportiert, Verdauungssäfte müssen produziert und untergemischt, die Nahrung in ihre Bestandteile zerlegt werden, so lange, bis nur noch kleinste Moleküle übrig sind, die dann durch die Darmwände geleitet, vom Blut weiterbefördert und schließlich noch irgendwo umgewandelt und/oder gespeichert werden müssen. Das alles passiert nicht mal eben so. Das sind hochkomplexe und für unseren Körper anstrengende Vorgänge. Um wieder einen Fachbegriff zu bemühen: Nahrungsinduzierte oder postprandiale Thermogenese nennt man den Energieverbrauch, der allein für Verdauung und Verstoffwechselung der Nahrung anfällt. Etwa 10 Prozent der Energie, die uns das gerade gegessene Essen liefert, wird so gleich wieder verbraten. „Gott sein Dank“, werden sich die meisten jetzt denken. Durch diesen körpereigenen, inneren „Verdauungssport“ muss man weniger echten Sport machen. Immerhin. Das spüren wir aber eben auch. Wir sind schlapp und müde. Wie nach echtem Sport. Aber: Obwohl uns durch Sport eigentlich heiß wird, führt Verdauungssport bei vielen dazu, dass sie frieren. Warum ist das so?

Grund 2: Hierarchie im Körper – Verdauen geht vor

Viele sind also nicht nur müde nach dem Essen, ihnen ist auch noch kalt. Beides hängt damit zusammen, dass all die genannten Verdauungsprozesse Blut bzw. den über das Blut transportierten Sauerstoff benötigen. Und da setzt unser Körper klare Prioritäten. Verdauen geht vor. Gut durchblutet wird da, wo gerade vermehrt Verdauung stattfindet – Magen, Darm, Leber. Der Rest ist erst mal nicht so wichtig, der Blutdruck insgesamt sinkt. Da muss selbst das Gehirn zurückstecken und seine Denk- und Konzentrationsleistung runterfahren. Auch die Muskeln werden nicht mehr so gut durchblutet und wir müssen im Zweifel eben etwas frieren. Da hilft nur dick einpacken, Heizung aufdrehen, Wärmflasche machen. Oder eben doch echter Sport. Bloß wer will das schon direkt nach dem Essen? Ein kleiner Spaziergang ist aber tatsächlich eine wirksame Methode, um dem Mittagstief zu entkommen. Aber eins nach dem anderen.

Grund 3: Die Blutzuckerspirale – auch das noch!

Um den letzten Fachterminus in den Raum zu werfen: Auch die postprandiale Hypoglykämie hat ihre Finger im Spiel. Gemeint ist Folgendes: Essen wir Kohlenhydrate wie Brot, Reis, Nudeln oder auch Zucker, erhöht dies im Zuge der Verdauung unseren Blutzuckerspiegel. Der Körper schüttet daraufhin das Hormon Insulin aus, das dafür sorgt, dass der Zucker aus dem Blut heraus und hinein in die Zellen geschleust wird. Der Blutzuckerspiegel sinkt also wieder. Weil unser Körper es gerade nach sehr kohlenhydratreichen Mahlzeiten sehr gut meint mit dem Insulin, sinkt der Blutzuckerspiegel oftmals etwas weiter, als es uns lieb ist. Auch dieses Phänomen kennen viele: Man bekommt kurz nach dem Essen schon wieder Appetit, ganz besonders auf etwas Süßes. Manchmal wird das ein richtiger „Jieper“. Dann gibt es direkt Nachtisch oder spätestens am Nachmittag ein Stück Kuchen. Der Blutzuckerspiegel steigt wieder an und das Spiel geht von vorne los. Die postprandiale Hypoglykämie, also der niedrige Blutzuckerspiegel nach dem Essen, führt jedenfalls auch nicht dazu, dass wir uns sonderlich fit fühlen, und trägt seinen Teil zum Fresskoma bei.

Ach ja, und Hormone natürlich – weitere Erklärungsansätze

Es kursiert noch eine weitere Theorie dazu, warum ein hoher Blutzuckerspiegel zu Müdigkeit führen könnte: Er soll die Produktion des „Wachmacher-Hormons“ Orexin besonders hemmen. Generell nimmt die Orexin-Ausschüttung nach dem Essen erst mal ab. Erst wenn wir wieder hungrig werden, steigt sie und sorgt dafür, dass wir wach und aufmerksam sind. Evolutionsbiologisch ergibt das viel Sinn – zum Erlegen eines Mammuts war es durchaus von Vorteil, wach und aufmerksam zu sein.

Ein weiteres Hormon, das unsere Müdigkeit nach dem Essen verursachen könnte, ist Serotonin. Das kann nicht nur glücklich machen, sondern auch schläfrig. Stimuliert werden soll das Serotonin durch die Aminosäure Tryptophan, ein Eiweißbaustein.

Inwieweit das alles zusammenspielt, ist nicht abschließend geklärt. Dass das Mittagstief keine lahme Ausrede, sondern biologisch bedingt ist, steht aber fest.

Aufgewacht! Das hilft gegen das Mittagstief

„Nach dem Essen sollst du ruhn oder tausend Schritte tun.“ Das sind tatsächlich schon zwei einfache Lösungen. Wer kann, sollte einen Mittagsschlaf machen. Wer nicht kann, sich an frischer Luft bewegen. Wer auch das nicht kann … naja, da hilft dann wohl nur Kaffee. Viel Kaffee.

Eine andere Methode zielt darauf ab, durch die Wahl des Essens erst gar nicht müde zu werden. Hier gibt es aber unterschiedliche Auffassungen. Möchte man die postprandiale Hypoglykämie – den niedrigen Blutzuckerspiegel – umgehen, hilft eine kohlenhydratarme Mahlzeit. Bei der postprandialen Thermogenese – dem Energieverbrauch durch die Verdauungsprozesse – ist es jedoch vor allem Eiweiß, das die meiste Arbeit macht.

Sicher ist: Kleine, leichte Mahlzeiten helfen, das Mittagstief abzumildern. Ob man es ganz umgehen kann, ist allerdings fraglich oder zumindest Typsache. Denn das Mittagstief hat nicht ausschließlich mit dem Essen zu tun, es ist auch in unserem Biorhythmus verankert. Schon der Höhlenmensch hat um die Mittagszeit am liebsten die Seele baumeln lassen. Ruhephasen sind eben einfach wichtig für den Körper, um wieder neue Kraft zu tanken. Ganz ignorieren sollte man sie also nicht.

In jedem Fall besser als Süßigkeiten und der ideale Snack am Nachmittag, um die Blutzuckerspirale zu umgehen: Nüsse & Co. – kleine Nährstoffpakete mit großer Wirkung.


Beitrag teilen:

Autorin: Sarah Fischer
Datum: 16.12.2021



Weitere Artikel