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Veganer-Klischee ade? Niko Rittenau darüber, wie man erst mit und dann von einer Überzeugung lebt

Niko Rittenau

Niko Rittenau ist Experte für pflanzliche Ernährung, Mitbegründer des Plant-Based Institutes und Autor des Buches Vegan-Klischee ade!: Wissenschaftliche Antworten auf kritische Fragen zu veganer Ernährung. Im Frühjahr 2020 erscheint sein zweites Buch Vegan-Klischee ade – Das Kochbuch. Er hält Vorträge auf Messen und Kongressen, gibt Seminare und unterrichtet an diversen Bildungseinrichtungen. Darüber hinaus betreibt er einen erfolgreichen YouTube-Kanal. Nebenbei absolviert er sein Masterstudium, um im Anschluss zu promovieren.

Wir haben mit dem erst 28-jährigen gebürtigen Österreicher darüber gesprochen, warum er sich für eine vegane Lebensweise entschieden hat, wie es dazu kam, dass das Thema seinen beruflichen Werdegang so geprägt hat, und was er noch für Zukunftspläne hat. Und wie er das zeitlich überhaupt alles hinbekommt.

Niko, vielen Dank, dass du dir Zeit für dieses Interview nimmst. Als ich mir zur Vorbereitung deinen Lebenslauf angeschaut habe, und was du heute so alles treibst, hat sich mir eine Frage ganz besonders aufgedrängt: Wann schläfst du eigentlich?

Niko: (lacht) Ich schlafe an den meisten Tagen in der Woche durchaus sieben bis acht Stunden und erachte Schlaf als etwas sehr Wichtiges. Die Zeit, die man sich durch Schlafentzug holt, büßt man langfristig durch geringere Leistungsfähigkeit und schlechtere Gesundheit ein. Ich organisiere lediglich meine wachen Stunden sehr gut, um das Maximum aus jedem Tag rauszuholen.

Hast du damit gerechnet, dass du einmal so erfolgreich sein wirst, mit dem, was du tust?

Niko: Ich versuche mich weitestgehend frei von Erwartungen zu machen und mich einfach über alles zu freuen, was kommt. Letztendlich kam der Erfolg auch nicht über Nacht, auch wenn es für manche so scheinen mag, sondern hat sich im Laufe der letzten vier Jahre kontinuierlich entwickelt. Dass „Vegan-Klischee ade!“ so einschlagen würde und sogar bekannte Profisportler und Schauspieler wie Marc-André ter Stegen und Ralf Möller das Buch lesen und mit ihrer Community teilen würden, hätte ich aber tatsächlich nicht gedacht.

Was wolltest du denn als Kind mal werden? Was war dein erster Berufswunsch?

Niko: Ich komme ja ursprünglich aus der Gastronomie und habe meine Primärausbildung zum Touristikkaufmann gemacht und im Anschluss einen Bachelor in Unternehmensführung begonnen. Mein eigentlicher Traum war es damals, auf einer schönen Karibikinsel ein Hotel zu managen und mir an den freien Tagen die Sonne auf den Bauch scheinen zu lassen (lacht).

Und warum kam es dann doch anders?

Niko: Ich kam im Laufe meines Studiums der Unternehmensführung in Kontakt mit der veganen Idee. Obwohl ich durch meine Koch- und Serviceausbildung stets engen Kontakt mit tierischen Lebensmitteln hatte und diese auch jahrelang zubereitet und serviert habe, hatte ich mir tatsächlich niemals wirklich intensive Gedanken darüber gemacht, was es eigentlich bedeutet, Milch, Käse, Eier und andere tierische Produkte zu produzieren, und welchen immensen Einfluss das nicht nur auf das Tier selbst, sondern auch auf unseren Planeten und unsere Gesundheit hat. Damit möchte ich nicht sagen, dass jedes tierische Produkt ungesund ist, aber wenn man sich anschaut, wie weit die westliche Mischkost von den offiziellen Ernährungsempfehlungen entfernt ist, wird auch zum Teil nachvollziehbar, woher die steigende Rate an chronisch-degenerativen Erkrankungen kommt. Mir geht es mit meiner Arbeit nicht darum, irgendjemanden zu missionieren, sondern lediglich aufzuzeigen, dass unsere Ernährung einer der größten Einflussfaktoren auf unsere Gesundheit ist und wir mit einer ungesunden Ernährung wertvolle Lebensjahre verschenken. Mein Anliegen geht also weit über den Veganismus hinaus.

Du hast schon in jungen Jahren aufgehört, Fleisch zu essen. Hat es dir nicht mehr geschmeckt?

Niko: Wirklich konsequent aufgehört, Fleisch und tierische Produkte zu konsumieren, habe ich erst, als ich im Zuge meines Studiums der Unternehmensführung nach Wien gezogen bin. Davor musste ich ja im Rahmen meiner Ausbildung zum Touristikkaufmannn Fleisch und andere tierische Produkte zubereiten und verkosten. Ein Leben ohne Käse schien mir damals allerdings noch unvorstellbar. Ab einem gewissen Punkt habe ich mir aber eingestanden, dass die aktuelle Produktion von Käse und Eiern nicht mit meinen eigenen Wertvorstellungen vereinbar ist und der schlichte Genuss in keinem Verhältnis dazu steht.

Glaubst du, dass es einmal eine Welt geben wird, in der keine tierischen Produkte mehr gegessen werden?

Niko: Das denke ich nicht. Allerdings bin ich der festen Überzeugung, dass es ein Auslaufmodell ist, dass ein Tier aktiv in diesen Prozess eingebunden ist. Bereits 1932 sagte Winston Churchill, dass wir zukünftig der Absurdität entrinnen werden, für ein Stück Fleisch ein ganzes Tier zu züchten. Schon damals sagte er voraus, dass wir in der Zukunft die Zelle dieses Tieres unabhängig vom Tier in einem geeigneten Medium kultivieren werden. Genau das hat Dr. Mark Post 2013 auch unter Beweis gestellt, als er den weltweit ersten In-Vitro-Burger in London präsentierte. Das klingt auf den ersten Blick vielleicht befremdlich. Dieses spannende Thema der „Cellular Agriculture“ ist aber aus meiner Sicht die Zukunft, und viele Personen wie Richard Branson und Bill Gates unterstützen diese Idee mit sehr großen Summen. Diese Art Fleisch zu produzieren, spart mehr als 90 Prozent an Wasser, Fläche und Treibhausgasemissionen und ist damit die einzig realistische Antwort auf die drängende Frage, wie wir zukünftig die steigende Lust der 10 Milliarden Menschen auf unserem Planeten nach Fleisch und tierischen Produkten im Jahr 2050 stillen können.

Welches ist dein Lieblingsgericht und dein Lieblingsgetränk?

Niko: Diese Frage wird mir oft gestellt und ich fühle mich dabei immer ein bisschen wie ein Künstler, den man nach seiner Lieblingsfarbe fragt (lacht). Im Ernst: Ich habe kein Lieblingsgericht oder Lieblingsgetränk, sondern bin immer wieder aufs Neue begeistert von den unterschiedlichen Länderküchen und deren pflanzlicher Vielfalt.

Dein Leben ist aktuell sehr abwechslungsreich – Student, Autor, Vortragsredner, Show-Koch, YouTuber … was macht dir von all dem am meisten Spaß?

Niko: Mir macht die Kombination aus all dem Spaß, da es Abwechslung bringt und ich mich mithilfe von unterschiedlichen Medien ausdrücken kann. Ich mag die Arbeit an meinen Büchern, weil ich dabei auch immer selbst noch viel lernen kann. Genauso bin ich sehr gerne auf der Bühne und freue mich, wenn Leute bei einem doch eher trockenen Thema wie Ernährung mit großer Begeisterung dabei sind. Auch die Videoproduktion macht mir großen Spaß und dadurch kann ich natürlich auch weitaus mehr Menschen erreichen und für eine nachhaltige und gesunde Ernährung begeistern.

Was war dein größter beruflicher Erfolg, dein absolutes YES-Projekt, auf das du besonders stolz bist?

Niko: Definitiv mein Buch „Vegan-Klischee ade!“. Das Buch hat ja über 450 Seiten und entstand über einen Zeitraum von insgesamt vier Jahren. Es enthält mehr als 1.000 wissenschaftliche Quellen, durch die ich mich gearbeitet habe, und es ist mit Abstand das Beste, was ich bis jetzt veröffentlicht habe. Mein persönliches Highlight war, als ich meinen Lieblingsmusiker Curse kennenlernen durfte und er mir sagte, dass er meine Arbeit kennt und schätzt. Da hat sich der kleine Niko in mir, der schon vor zehn Jahren großer Fan von ihm war, innerlich sehr gefreut.

Hast du einen Glücksbringer? Wenn ja, welchen?

Niko: Meinen Kameramann Benjamin. Seitdem wir zusammenarbeiten, läuft alles doppelt so gut!

Was ist rückblickend der beste Karrieretipp gewesen, den du bekommen hast?

Niko: Mir hat mal eine Person etwas gesagt, das an ein Zitat von Roy Amara angelehnt war. Es besagt, dass man überschätzt, was kurzfristig möglich ist, und unterschätzt, was man langfristig erreichen kann. Seitdem versuche ich nach diesem Prinzip zu leben und meinen Fokus nicht auf kurzfristige Ziele zu legen und dabei ungeduldig zu sein, sondern einen langfristigen Plan zu verfolgen und mich dabei in Geduld zu üben.

Was steht dieses Jahr noch bei dir an? Was sind die nächsten großen Projekte?

Dieses Jahr steht noch sehr viel an. Ich arbeite gerade an zwei neuen Büchern, die beide 2020 erscheinen werden, drehe zwei Dokumentationen zu den Themen pflanzliche Ernährung und Cellular Agriculture, die ich nächstes Jahr auf meinem YouTube-Kanal veröffentlichen werde, und bereite mich außerdem bereits auf meine Masterthesis vor. Darüber hinaus bin ich gerade in Gesprächen bezüglich der englischen Ausgabe meines aktuellen Buches und habe noch ein weiteres Projekt in Planung, das allerdings noch nicht spruchreif ist.

Wir wünschen dir dabei sehr viel Erfolg und weiterhin ausreichend Schlaf. Vielen Dank für das Interview!

Foto: ©Claudia Weingart

 

Wer neugierig geworden ist und mehr über Cellular Agriculture erfahren will, kann in unserem Artikel über Clean Meat weiterlesen.

 


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Autorin: Sarah Fischer
Datum: 31.07.2019



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