Haferbrei ist der Inbegriff des widerlichen Krankenhausessens. So was mutet man sich nur zu, wenn man sonst wirklich nichts anderes mehr bei sich behalten kann. Und selbst dann bevorzugen es viele, zu fasten. Grundsätzlich hat fast alles, was den Namen Brei trägt, in Deutschland Imageprobleme, vom Kartoffelbrei vielleicht einmal abgesehen. Gut, man könnte die Pampe aus Hafer und heißem Wasser auch Grütze nennen, aber macht es das wirklich besser?
Porridge dagegen – das klingt doch schon ganz anders, zumindest für deutsche Hipster-Ohren. Das Porridge erlebt gerade eine Renaissance als cooles Trendfood. In Wirklichkeit ist es aber nichts anderes als Haferbrei bzw. -grütze und im Ursprungsland Großbritannien als Essen für arme Leute entstanden.
Porridge: ursprünglich ein Arme-Leute-Essen
Arm, krank oder beides – das waren die wesentlichen Einsatzgebiete von Porridge. Von Schottland aus wanderte es nach England. Hier kam es vor allem bei Arbeiterfamilien auf den Tisch, gerne auch mal zum Mittag- oder Abendessen. Pur, also nur der in Wasser gekochte Hafer ohne alles. Wenn Beigaben wie Milch oder Sahne vorhanden waren, standen diese in Schalen auf dem Tisch und jeder Löffel wurde vor dem Verzehr einzeln eingetunkt. So macht man das heute nicht mehr – obwohl Food Sharing ja wieder total angesagt ist. Bis heute gibt es aber fertig zubereitetes Porridge im Vereinigten Königreich traditionell zum Frühstück. Als zusätzliche Beigaben stehen Ahornsirup und Zucker zur Auswahl.
Masters of Porridge
Es gibt kaum etwas, wofür es nicht eine Meisterschaft gibt. Und so gibt es selbstverständlich auch eine Porridge-Meisterschaft. Am 12. Oktober findet sie 2019 zum 26. Mal statt, und zwar in Carrbridge, Schottland. Der Gewinner wird mit dem Golden Spurtle gekürt, dem einzig wahren Rührgerät für ein fachgerechtes Porridge – eine Art Holzpflock, mit dem man auch auf Vampirjagd gehen könnte. Der Golden Spurtle wird an denjenigen vergeben, der aus nur drei Zutaten – Hafer, Wasser und Salz – das beste traditionelle Porridge zaubern kann. Er darf sich zudem fürderhin „World Porridge Making Champion“ nennen.
Um noch ein bisschen mehr Pep in die Sache zu bringen und auch experimentierfreudigen Porridge-Fans eine Chance einzuräumen, gibt es aber auch noch eine zweite Kategorie, in der mehr Zutaten verwendet werden dürfen. 2018 gewann dabei eine ganze Porridge-Tapas-Platte. In einer dritten Sparte darf sich zudem der Nachwuchs messen. Hier rühren Kinder und Jugendliche zwischen acht und 16 den Spurtle durch die Hafergrütze.
Porridge goes Berlin
Ob ein Essen gerade angesagt ist oder nicht, erkennt man im Zweifel daran, ob es in Berlin einen Imbiss, ein Café oder einen Foodtruck gibt, die sich auf dieses Gericht spezialisiert haben. Demnach ist Porridge aktuell in jedem Fall sehr angesagt. 2014 gründeten drei junge Wahlberliner das Straßencafé Haferkater in Berlin-Friedrichshain. Die Geschäftsidee erwies sich als so lukrativ, dass es inzwischen weitere Filialen in Berlin Prenzlauer Berg, an den Bahnhöfen von Köln, Frankfurt, Dresden und München-Pasing sowie in Bonn im Maximilian Center gibt.
Der Erfolg des Konzepts sollte eigentlich nicht verwundern. Das Gesundheits- und Ernährungsbewusstsein steigt und Hafer steht als sogenanntes Superfood hoch im Kurs. Zudem zeigen die Beiträge der Kategorie „Speciality Porridge Section“ bei der Porridge-WM Jahr für Jahr, auf welche vielfältige und appetitanregende Weise sich Porridge zubereiten lässt. Die Rezepte gibt es auf der Webseite der Veranstalter zum Nachrühren. Und auch die Speisekarte von Haferkater kann sich sehen lassen: Porridge mit Mandeln, Cashews, Zedernkernen, Crunchy und Ahornsirup, Porridge mit Waldbeerenkompott, gerösteten Kokosflocken und Zartbitterschokolade, Porridge mit Ziegenfrischkäse, Birne, Honig, Walnüssen und Thymian. Das klingt wirklich gar nicht mehr nach widerlichem Krankenhausessen.
Mehr zum Thema Hafer gibt’s in unseren Artikeln Oats – Noats – Proats: Evolution eines Foodtrends und Irgendwie süß – Die Geschichte des Müslis.