Mit der „Nationalen Reduktions- und Innovationstrategie“ sagt die Bundesregierung Zucker, Fett und Salz in Fertigprodukten den Kampf an. Was steckt dahinter und was bleibt am Ende in unseren Lebensmitteln eigentlich noch übrig?
Der Blick auf repräsentative Daten des Robert Koch-Instituts von 2014/2015 ist erschreckend: In Deutschland sind 46,7 Prozent der Frauen und 61,6 Prozent der Männer übergewichtig. Fast ein Fünftel der Erwachsenen ist adipös, also krankhaft fettleibig. Noch tragischer sind die Zahlen, die aus der KiGGS-Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen von 2017 hervorgehen. Diese zeigt, dass 15,4 Prozent der 3- bis 17-Jährigen übergewichtig sind und ein Drittel davon adipös ist. Die Gründe dafür sind Bewegungsmangel sowie eine unausgewogene Ernährung. Übergewicht führt zu Erkrankungen wie Diabetes Typ 2 oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die sich sowohl auf die Lebensqualität der Betroffenen als auch auf die Sozial- und Gesundheitskosten auswirken.
Zucker, Salz und Fett im Fokus
Im Vergleich zu den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) ist der Verzehr von Zucker, Fett und Salz deutlich zu hoch. Im Durchschnitt isst jeder täglich 90 Gramm Zucker (ca. neun Teelöffel Zucker); empfohlen werden fünf TL für Frauen beziehungsweise sechs TL für Männer. Mit dem Verzehr einer Fertigpizza Salami haben wir bereits die maximal empfohlene tägliche Menge an Salz zu uns genommen. Um den Konsum von Fett, Salz und Zucker sowie die Gesamtkalorien zu senken und einen gesunden Lebensstil zu fördern, hat die Bundesregierung die „Nationale Reduktions- und Innovationsstrategie für Zucker, Fette und Salze in Fertigprodukten“ auf den Weg gebracht. Unternehmen der Lebensmittelindustrie werden dazu aufgefordert, Produktrezepturen zu überarbeiten und den Gehalt von Zucker, Salz und gesättigten Fettsäuren schrittweise zu senken. Der Fokus liegt hierbei auf Fertigprodukten, da diese im Durchschnitt süßer, salziger und fettiger als weniger verarbeitete Lebensmittel sind. Im September 2018 wurde hierzu eine Grundsatzvereinbarung zwischen Politik und Lebensmittelwirtschaft geschlossen. Die Lebensmittelwirtschaft möchte ihren Teil dazu beitragen, eine ausgewogene Energiebilanz und Verbesserung der Nährstoffversorgung der Bevölkerung zu erreichen. Bis Ende 2025 soll die Reduktions- und Innovationsstrategie umgesetzt sein.
Was bedeutet das genau?
Auf sogenannte „Kinderlebensmittel“ wird beispielsweise ein Schwerpunkt gelegt. Der Zuckergehalt in Frühstückscerealien für Kinder soll um mindestens 20 Prozent gesenkt werden. Auch Erfrischungsgetränke und Kinderjoghurts sollen zukünftig mindestens 15 beziehungsweise 10 Prozent weniger Zucker enthalten. Des Weiteren wurde eine Vereinbarung mit dem Bäckerhandwerk zur Reduktion von Salzspitzen in Brot und eine Selbstverpflichtung zur Reduzierung von Salz in Fertigpizzen getroffen.
Der Startschuss für die Umsetzung fiel in diesem Jahr, ein Zwischenbericht erfolgt 2020 und bis 2025 sollen die Ziele erreicht sein. Die Umsetzung erfolgt dabei auf freiwilliger Basis.
Was hat die Lebensmittelindustrie bis jetzt erreicht?
Viele Unternehmen kommen den Forderungen bereits nach. Sie haben sich in den vergangenen Jahren Reduktionsstrategien überlegt und den Gehalt an Zucker, Salz und Fett schrittweise gesenkt, um den Verbraucher langsam an den veränderten Geschmack zu gewöhnen. Nestlé hat sich beispielsweise das Ziel gesetzt, bis 2020 weltweit 18.000 Tonnen Zucker einzusparen. Der Zuckergehalt aller Produkte soll dabei um fünf Prozent gesenkt werden. Danone hat seit der Markteinführung des Fruchtzwergs 1982 dessen Energiegehalt um 35 Prozent gesenkt. Alpro bietet neben pflanzlichen Drinks und Soja-Joghurtalternativen mit Zucker auch immer zuckerfreie Alternativen an. Und auch der Lebensmitteleinzelhändler REWE möchte einen relevanten Beitrag leisten und hat in den vergangenen Jahren immer wieder seine Kunden selbst entscheiden lassen, wie viel Zucker sie beispielsweise im Schokopudding beziehungsweise Müsli der Eigenmarke REWE Beste Wahl bevorzugen.
Ernährungsaufklärung und Forschung im Fokus
Die Bundesregierung konzentriert sich bei ihrer Reduktions- und Innovationsstrategie nicht nur auf die Lebensmittelindustrie, sondern möchte auch die Ernährungskompetenz der Verbraucher und Verbraucherinnen verbessern. Des Weiteren werden Forschungsprojekte gefördert, die sich der Reduktion von Zucker, Fett und Salz beziehungsweise dem Einsatz von Ersatzprodukten oder der Erhöhung der Geschmackswirkung – bei Zucker und Salz – widmen.
Fazit
Insgesamt handelt es sich um einen Maßnahmen-Mix, bei dem nicht ausschließlich die Lebensmittelwirtschaft in die Verantwortung genommen wird, sondern auch der Verbraucher selbst, denn letztendlich entscheidet jeder Einzelne, zu welchen Lebensmitteln er tagtäglich greift.
>> Ein Beispiel: Salzreduktion in Brot
Lebensnotwendig, aber zu viel
Salz ist ein wichtiger Mineralstoff für unseren Körper. Er regelt unter anderem den Wasserhaushalt sowie die Gewebespannung. Der Mindestbedarf unseres Körpers entspricht 1,5 Gramm Kochsalz pro Tag. Empfohlen werden fünf bis sechs Gramm pro Tag, doch diese Menge überschreiten wir in Westeuropa deutlich. Frauen konsumieren ca. sieben bis zehn Gramm und Männer neun bis 14 Gramm Kochsalz täglich. Ein zu hoher Verzehr des „weißen Goldes“, wie es vor Jahrtausenden genannt wurde, kann zu Bluthochdruck führen, woraus wiederum Herz-Kreislauf-Erkrankungen resultieren können.
Warum steht Brot im Fokus?
Die Hauptquelle unseres Salzkonsums steckt in Backwaren wie Brot, dem Lebensmittel Nummer eins, ohne dass die Gewohnheiten der Konsumenten berücksichtigt werden, die sehr gerne nach dem Salzstreuer greifen, manche sogar ohne das Gericht probiert zu haben. Knapp 40 Prozent der täglichen Menge nehmen wir über Getreideprodukte zu uns. Aus diesem Grund wird immer häufiger diskutiert, den Salzgehalt in Backwaren zu reduzieren. Eine Reduzierung um 25 Prozent würde keine großen Geschmackseinbußen mit sich bringen, dennoch hat die Salzreduktion, neben der geschmacklichen Veränderung, auch Einfluss auf die technischen Eigenschaften des Teigs. Mit abnehmendem Salzgehalt:
- wird der Teig klebriger.
- wird die Porung grober.
- nimmt das Brotvolumen ab.
- steigt die Enzymtätigkeit.
- sinkt die Triebtätigkeit der Hefe.
Um den Salzgehalt im Brot zu senken, müssen traditionelle Rezepte überarbeitet werden. Mit ein paar handwerklichen Tricks gelingt es jedoch, den guten Geschmack des Brots zu erhalten. Beispielsweise sorgt die Zugabe von Nüssen, Gemüse oder Saaten für ein besonderes Aroma.
Noch nicht genug vom Thema? Dann wäre unser Artikel zur Nährwertkennzeichnung und dem Nutri-Score sicher interessant.