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Frauen im Fleischerhandwerk – im Gespräch mit Steffi Forster von „Wir sind anders“

Frauen die im Fleischerhandwerk arbeiten mit entsprechenden Kleidung.
Interviewpartnerin Steffi Forster
Foto: Sven Tholius

Nach der Brau- und Bäckerbranche melden sich jetzt auch die jungen Wilden aus dem Fleischerhandwerk zu Wort. Die Handwerkskunst bekommt wieder mehr Selbstbewusstsein. Feder- und hackebeilführend in dieser Bewegung ist Steffi Forster, Gründungsmitglied des Vereins WIR SIND ANDERS e.V. Das Anliegen des Vereins ist es, mit alten Vorurteilen aufzuräumen, Bewusstsein für qualitativ hochwertiges Fleisch und die Daseinsberechtigung für die Metzgerin und den Metzger nebenan zu schaffen. Gegründet wurde der Verein im Oktober 2016 von zwölf Frauen und einem Fotografen. Zwei Jahre später gibt es nun 50 aktive Mitglieder plus Fördermitglieder. Steffi Forster ist in dem Familienbetrieb Landmetzgerei Moosmeier – Catering Forster groß geworden und daher mit dem Beruf eng verwurzelt. Sie ist eine Allrounderin, ob Fingerfood oder Galadinner, bei ihr ist man immer gut aufgehoben. Als Insiderin verrät sie uns, was sich in den letzten Jahren in ihrem Handwerk so getan hat.

Frau Forster, warum haben Sie einen Beruf im Fleischerhandwerk ergriffen?

Steffi Forster: Ich bin in einem Familienbetrieb im Fleischerhandwerk groß geworden, und da packt jeder auch schon früh mit an. Mir hat das immer schon viel Spaß bereitet, deswegen habe ich mich dazu entschlossen, diese berufliche Laufbahn einzuschlagen.

Haben Sie mit vielen Vorurteilen in Ihrem Berufsfeld zu kämpfen?

Steffi Forster: Ich habe für mich gemerkt, dass sich in den letzten drei bis vier Jahren etwas bewegt. Mittlerweile finden alle toll, was ich mache. Als ich jedoch vor 17 Jahren meine Ausbildung zur Fleischerei-Fachverkäuferin machte, wurde ich deswegen oft verspottet oder belächelt. Aber diese Zeit ist vorbei. Jetzt werde ich sogar darauf angesprochen, wie cool es sei, dass ich Metzgerin bin, und werde gefragt, wie mein Alltag in der Metzgerei aussieht und welche Aufgaben ich habe. Natürlich kann ich keinen Veganer für meinen Beruf begeistern, aber das will ich auch nicht. Genauso wenig will ich Billig-Fleisch-Käufer erreichen, die nur auf den Preis achten. Ich wünsche mir Kunden, die die dieselbe Wertschätzung zum Tier haben wie ich. Ich möchte nicht auf Fleisch verzichten, außerdem gehört es zu einer ausgewogenen Ernährung dazu, aber ich möchte etwas Gscheits auf dem Teller haben. Das muss nicht teuer sein, aber der Respekt vor dem Tier sollte nicht verloren gehen. Jetzt bin ich etwas abgeschweift; auf alle Fälle sind wir auf einem guten Weg, vergangene Vorurteile aus dem Weg zu schaffen. Die Kunden schätzen den Metzger und Bäcker ihres Vertrauens immer mehr.

Wie nehmen Ihre Kollegen Sie wahr? Arbeiten Sie mit Ihnen auf Augenhöhe? Wie reagieren Kunden auf Frauen im Fleischerhandwerk?

Steffi Forster: Ich arbeite mit allen meinen Kollegen auf Augenhöhe. Ich war und bin mir auch nie zu schade, meinen Arbeitsplatz zu putzen, oder die Aufgaben eines Auszubildenden zu übernehmen. Meiner Meinung nach sollten auch Auszubildende mehr Verantwortung übernehmen dürfen. Das fördert mehr, als Kühlräume aufzuräumen und zu putzen. Bei mir darf ein Azubi von Anfang an mit an die Theke, verkaufen, kochen, Fingerfood vorbereiten etc. Bei uns in der Metzgerei sind wir alle Allround-Talente, und jeder kann alles. Zu meinen Wettbewerbern aus der Metzgerbranche pflege ich ein freundschaftliches Verhältnis. Die Zeiten der Konkurrenz sind vorbei, wir kämpfen für die gemeinsame Sache. Zudem gibt es leider fast keine Handwerksbetriebe mehr – leider.

Ein Mann und drei Frauen aus dem Fleischerhandwerk sind Gründungsmitgleider von Wir sind anders.
Interviewpartnerin Steffi Forster (r.) mit Kolleginnen und einem Kollegen vom Verein WIR SIND ANDERS. Foto: Sven Tholius

Was macht Ihnen an Ihrer Arbeit am meisten Spaß?

Steffi Forster: An meiner Arbeit macht mir am meisten Spaß, kreativ sein zu können, und meine lieben Kunden zu beraten und zu begeistern. Das wird nie langweilig.

Sie sind Mitbegründerin des Vereins WIR SIND ANDERS e.V. Warum sahen Sie den Bedarf, in diese Richtung aktiv zu werden?

Steffi Forster: Ich möchte einfach mehr über unser Handwerk sprechen, außerdem wollte ich der Öffentlichkeit zeigen, wie toll unser Beruf ist. Wir dürfen nicht mehr länger tatenlos bleiben und dem ethischen Verfall des Fleischerhandwerks zusehen. Jeden Tag schließt irgendwo in Deutschland ein kleiner Familienbetrieb. Dagegen zu kämpfen ist eine Herzenssache. Außerdem finde ich es wichtig, sich untereinander austauschen zu können. Das ist viel wichtiger als ein Fach- oder Produktseminar, denn ich kann das Rad nicht neu erfinden. Bei WIR SIND ANDERS e.V. haben wir uns auf Anhieb verstanden und ermutigten uns gegenseitig, weil wir alle etwas gemeinsam haben, und das ist die Leidenschaft für unseren Beruf.

Wie kam es damals zu der Idee für den erotischen Kalender? Sehr schön ist, dass der Erlös für die Nachwuchsförderung genutzt wird. Gibt es bestimmte Projekte, die dadurch finanziert werden?

Steffi Forster: Die Idee für den Kalender entstand auf der SÜFFA 2015 in Stuttgart. Es war ein Montag, und das Motto war der Metzgerfrauentag. Ich schlenderte mit der Metzger-Kollegin Isabelle Frank aus Stuttgart, die ich während des Studiums zum Betriebswirt HwO-Fleischerlehrgang kennengelernt hatte, über die Messe. Dort verteilte ein großer Salami- und Wursthersteller Kalender mit freizügigen Metzgern. Aus einer Sektlaune heraus haben wir dann entschieden: Wir Frauen können das auch! Aber natürlich sollten es nur Frauen aus Handwerksbetrieben sein, nicht wie bei den Männern, die in der Industrie arbeiteten. Mir fiel ein, dass ich ja sogar einen Metzger kenne, der auch noch Fotograf ist und der – wie es der Zufall will – auch noch vor Ort auf der gleichen Fachmesse war. Eines zum anderen; innerhalb der nächsten 24 Stunden hatten sich zwölf Frauen gefunden, die sich alle bereit erklärten, bei dem Projekt mitzumachen. Der Verein wurde dann offiziell am 01. Juni 2016 gegründet und am 01. Januar 2017 als gemeinnützig eingetragen. Mit dem Erlös finanzierten wir unsere Promotion- und Öffentlichkeitsarbeit, wie zum Beispiel unser Messe-Equipment, die Kosten für den Bratwurstgipfel in Pegnitz, Kreativ-Workshops in Schlüchtern bei Dirk Ludwig, Kalender-Veröffentlichungen wie dieses Jahr bei Norbert Wittmann in der Weißwurstakademie und vieles mehr.

Kalendertitelbild von Frauen aus dem Fleischerhandwerk aus dem Jahr 2017
Foto: Sven Tholius

Wie kam es dazu, dass der Verein zunächst eine rein weibliche Bewegung war, mittlerweile aber auch Männer dabei sind? Wie war der Weg von der pinken Tussi-Bratwurst hin zu Back-to-the-Butchers-Roots?

Steffi Forster: Weil wir nur gemeinsam stark sind! Wir möchten etwas gemeinsam bewegen, und die Nachfrage der Männer war sehr groß. Wir wurden oft von Metzgern angesprochen, die selber gerne mitmachen wollten, weil sie unsere Bewegung so toll fanden. Der Weg von der Tussi-Bratwurst zu Back-to-the-Butchers-Roots ist eigentlich kein anderer. Wir haben jedes Jahr ein anderes Motto und wollen zeigen, wie vielfältig unser Beruf ist. Im nächsten Jahr wollen wir einfach noch viel mehr über den Ursprung unseres Handwerks reden, denn wie gesagt – wir haben das Rad nicht neu erfunden, wir haben nur vergessen, über unser Handwerk zu sprechen. Unserer Meinung nach müssen wir noch viel mehr Aufklärung betreiben, denn früher war es normal, zum Metzger zu gehen, und auf dieser Selbstverständlichkeit wurde sich zu lange ausgeruht.

Eine Gruppe von Männern und Frauen.
Foto: Sven Tholius

Zu guter Letzt, was ist Ihrer Meinung nach das am meisten unterschätzte Produkt in der Fleischtheke? Welchen Underdog empfehlen Sie dem heiklen Schweinefilet-Esser?

Steffi Forster: In unserer Fleischtheke gibt es jede Woche nur eine bestimmte Zahl an Filets, da wir pro Woche nur sieben Schweine schlachten, das ergibt also nur 14 Schweinefilets. Wir bieten auch nicht mehr an: Was verkauft ist, ist verkauft. Wir beraten unsere Kunden und empfehlen ihnen als Alternative ein anderes Stück, denn wenn ich es richtig mache, kann ich auch aus einer Schweinenuss das Ergebnis eines Filets zaubern. Aus einem Zwerchfell vom Rind, das ursprünglich ein gutes Suppenfleisch ist, kann man z.B. auch ein wunderbar zartes Steak braten. Mit unserem Fachwissen erklären wir unseren Kunden, wie das geht, und Frau oder Herr Müller, Meier, Schulze sind glücklich über das interessante Gespräch und das leckere Essen. Im Übrigen wird unsere hausgemachte Wurst auch ausschließlich aus hausgeschlachtetem Fleisch serviert; zubereitet – und das von der Streichwurst über die Salami bis hin zum Aufschnitt.

Vielen Dank Steffi Forster, für die einmaligen Einblicke in das Fleischerhandwerk. Wir wünschen eurem Verein viel Erfolg für die Zukunft!

Wer denkt, auf die Wurstsemmel gehört einfach ein Essiggürkchen, der findet hier eine spannende Reportage über Spreewaldgurken.

 


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Autorin: team.pur
Datum: 18.10.2018



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