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Willkommen im Biosiegel-Dschungel

Erkennt man vor lauter Siegeln nicht mehr, was bio ist?

Hühner im Stall
© Bioland

Der Ernährungsreport des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) 2017 veröffentlichte Statistiken über das Kaufverhalten der Deutschen. Demnach konsumieren Frauen bewusster als Männer, sie achten mehr auf Tierwohllabel (52 % zu 40 %), Fairer-Handel-Siegel (52 % zu 39 %) und eben auch auf Biosiegel (58 % zu 39 %). Überraschender ist das Ergebnis hinsichtlich der Frage, wer sich noch auf den Weg in den Bioladen macht: Das sind nämlich die 14- bis 18-Jährigen und die über 60-Jährigen. Auszeichnung von Lebensmitteln und nachhaltiges Einkaufen sind also wichtige Themen, der Siegelwald ist jedoch groß und undurchdringlich. Im Fall der Bioprodukte beginnt die Verwirrung schon bei den Begrifflichkeiten. Da gibt’s zum einem die EG-Öko-Basisverordnung, zum anderen das europäische Biosiegel. Wie hängen die zusammen? Besteht überhaupt ein Zusammenhang, und was ist eigentlich der Unterschied zwischen öko und bio?

Öko versus bio

Gemüse in Kisten
© Bioland

Gleich vorweg: Bio und öko gelten in der Auszeichnung von Produkten als völlig gleichwertig und können synonym verwendet werden. Auch sind beide Begriffe gesetzlich geschützt. Voraussetzung für ihre Verwendung ist, dass die EU-Rechtsvorschrift für ökologischen Landbau, die EG-Öko-Verordnung, eingehalten wird. Hier ist genau festgelegt, welche Anforderungen ein Bioprodukt, das in Europa auf den Markt gebracht wird, zu erfüllen hat. Das beginnt beim Verzicht auf chemisch-synthetische Pflanzenschutz- und Düngemittel, geht über tiergerechte Haltung mit Auslaufmöglichkeit und ein Verbot von Gentechnik und endet bei der g

eringen Verwendung von Zusatzstoffen. Bei der Tierhaltung ist von Mindestanforderungen die Rede, und die sind Tageslicht und Zugang zur Außenfläche. Für ein Produkt gilt, dass die Zutaten für eine entsprechende Auszeichnung zu 95 % aus Ökobetrieben stammen müssen. Als mögliche Bezeichnungen werden „biologisch“, „ökologisch“, „kontrolliert biologisch/ökologisch“ oder „biologischer/ökologischer Anbau“ verwendet.

Außen grün, innen pfui?

Vorsicht ist geboten bei Aussagen wie „aus kontrolliertem Anbau“, „naturnah“, „integrierter Pflanzenbau“, „umweltschonend“, „extensiv“, „unbehandelt“ oder „kontrolliert“. All das unterliegt keinen gesetzlichen Vorgaben, und es können keine Rückschlüsse auf den ökologischen Nutzen gezogen werden. Sie dienen einzig und allein der Steigerung des Kaufanreizes.

Biosiegel-Ranking

Die Fülle an Biosiegeln kann in drei Kategorien eingeteilt werden: gesetzliche Siegel, Siegel von Anbauverbänden und industrielle Siegel von Handelskonzernen. Wo liegt dabei der Unterschied? Welches Siegel „zählt mehr“? Woran sollte man sich orientieren, wenn man die besten Biolebensmittel mit dem größten ökologischen Nutzen kaufen möchte?

In Deutschland gibt es seit 2001 das staatliche Biosiegel, das sechseckige Zeichen mit der grünen Umrandung und dem Schriftzug „Bio“, dessen Anforderungen nahezu denen des europäischen Biosiegels entsprechen. Es gilt als vertrauenswürdig, und da es älter und bekannter ist als das europäische Biosiegel, das seit 2010 am Markt eingeführt ist, kann es zusätzlich verwendet werden. Das europäische Biosiegel genießt international großes Ansehen, so orientieren sich auch nicht-europäische Länder bei ihren Biosiegeln daran. Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) stuft diese Siegel als empfehlenswert ein.

Die Siegel der Anbauverbände – zu ihnen zählen Bioland und demeter – existieren zum einen meist deutlich länger, zum anderen sind die Anforderungen, die man erfüllen muss, um eine solche Auszeichnung zu erhalten, auch deutlich höher. Hier ein Vergleich zwischen Bioland und der EG-Öko-Verordnung:

Tabelle Vergleich Biosiegel

Anbauverbände können mit ihren Biosiegeln nicht nur auf die längste Historie, sondern auch auf die bedeutend längere Liste an Anforderungen blicken. So müssen beispielsweise die Betriebe komplett ökologisch arbeiten, d.h., vom Anbau bis zur Tierhaltung darf kein Bereich ausgespart werden. Insbesondere bei der Tierhaltung sind die Ansprüche deutlich höher, betrachtet man alleine den Tierbesatz pro Hektar landwirtschaftlicher Fläche. Auch sind hier herkömmliche Futtermittel nur in ganz geringen Mengen bis gar nicht erlaubt. Die Empfehlung der Anbauverbandsiegel des BUND liegt daher über dem des europäischen Biosiegels.

Rübe mit Kresse im Hintergrund
© Bioland

Im Herbst 2015 ergab sich aus dem Verbraucherwunsch nach noch mehr Transparenz und vor allem nach regionaler Bioqualität das regionale Biosiegel. Den Anfang machte das bayerische Biosiegel; um damit werben zu können, müssen Lebensmittelbetriebe neben den Herkunftskriterien auch denen der vier in Bayern aktiven Anbauverbände Bioland, Biokreis, demeter und Naturland gerecht werden. Somit ist es das Siegel mit den höchsten Qualitätsansprüchen, Qualitätsansprüche, die weit über denen der EG-Öko-Verordnung liegen.

Die dritte Kategorie an Biosiegeln ist die der Konzerne, beispielsweise BIOBIO Bioprodukte für alle oder EDEKA Bio. Im Allgemeinen gelten sie als vertrauenswürdig, insofern sie zusätzlich das gesetzlich vorgeschriebene europäische Biosiegel besitzen. Ist dieses nicht vorhanden, kann von Etikettenschwindel ausgegangen werden.

Fazit: Wird es kommen, das Super-Premium-Biosiegel? Experten

vermuten ja, auch der Wunsch aufseiten der Biohändler ist groß und die Verbraucher sind verwirrt. Die Fülle der Biosiegel übersteigt das Auffassungsvermögen der Käufer, und selbst ein Einlesen in die Thematik schafft nur bedingt Klarheit. Darüber hinaus geht der Trend stark in Richtung regionale Produkte und regionale Zutaten, wie auch eine Umfrage1 über Speiseplantrends in GV-Betrieben zeigte. Ob Klinik, Seniorenheim oder Betriebsrestaurant: Überall liegt der Wunsch nach regionalen Speisen bei über 80 %. Der Wunsch nach Biolebensmitteln liegt bei knapp einem Viertel. Demnach könnte die Lösung ein regionales Biosiegel sein; das bayerische unterliegt bereits den höchsten Qualitätsansprüchen, und beim Einkauf könnte sich daran gut orien

tiert werden. Allerdings müsste dann jedes Siegel, unabhängig von der Region, denselben Anforderungen unterliegen. Im Hinblick auf ein geeintes Europa gilt das dann auch länderübergreifend, was die Umsetzung noch schwieriger gestaltet. Ein Licht im Dunklen des Biosiegeltunnels ist somit also noch nicht abzusehen.

Wer gerne noch mehr zum Thema Tierwohl erfahren möchte, der findet hier einen Bericht zum V-Edge-Kongress.

 


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