Mit einer kurzen Handbewegung in Richtung des angegeben Kontaktpunkts öffnet sich die Tür zur Bäckereifiliale. Die Glastüren gleiten lautlos auf und man betritt den hell erleuchteten Verkaufsraum, in dem es wunderbar nach frischem Brot, feinen Kuchen und aufgebrühtem Kaffee duftet; und das, obwohl alle Brote, herzhaften sowie süßen Backwaren und Kuchen hinter sorgfältig geputzten und hermetisch abgeschlossenen Glastüren auf einfach zu reinigenden Edelstahlregalen liegen und man keine Tassen mit frisch aufgebrühten Kaffeespezialitäten erblicken kann.
Auch Bäckerfachpersonal, das ein gewohntes „Was darf es sein?“ anspricht, ist nirgends zu sehen. Wie kann das sein? Der Duft entströmt einem Gerät, das den Geruch einer Backstube und eines Cafés perfekt nachahmt, die Regale werden von der Rückseite über ein ausgeklügeltes System aus Laufbändern laufend bestückt und alle Bestellungen können per Tasteneingabe gemacht werden. Gezahlt wird am Ende kontaktlos mit der EC- oder Kreditkarte am vorgesehenen Terminal.
Was sich nach einem Intro eines Science-Fiction-Romans oder einem schlechten Traum anhört, hat mehr Realität in sich, als man aktuell glaubt. Denn viele Bäckereien definieren sich neu, bieten Erlebnisse und Geschichten rund um die eigentlichen Kernprodukte Brot und Backwaren.
Ohne Bargeld zum Bäcker?
EC-Terminals in Bäckereien, in erster Linie in deutschen Ballungszentren, sind keine Zukunftsmusik mehr. Den Schritt in die komplett bargeldlose Filiale wagte die Bäckerei Martin Auer. Im Frühjahr 2017 wurde das Bargeld aus der Filiale am Sonnenfeldplatz verbannt. Kunden bezahlen ihren Einkauf seither ausschließlich mit Karte über ein Terminal. Für Kinder wurde eine Prepaid-Karte eingeführt. Dieser Schritt ist keinesfalls „der Wunsch nach einer generellen Abschaffung des Bargeldes“. Vielmehr war die Intention, „Zeitaufwand und Fehlerquellen beim Hantieren mit Münzen und Scheinen auf diese Weise zu reduzieren“, sagte Martin Auer zum Zeitpunkt der Einführung. Zwei Jahre nach dem Start dieses Konzepts habe ich nachgefragt, wie die Resonanz zu dieser Filiale ist: „Wir bekommen viel positives Feedback. Das beschränkt sich natürlich nicht nur auf die Zahlungsmethode :-). Viele Kunden sehen einfach den Vorteil, den sie durch die Kartenzahlung haben. Der Einkauf geht schneller und man läuft nicht Gefahr, das Wechselgeld falsch herauszubekommen“, heißt es seitens des Unternehmens.
Digitale Beratung ist besser … als keine
Ich bin absoluter Fan von persönlichen (Beratungs-)Gesprächen. Aber wie oft kommt es vor, dass man an der Bäckereitheke steht und versucht, die Preisschilder in der Ferne nach den Zutaten der Backwaren abzuscannen. Schwierig ist das. Und wenn die Verkaufsmitarbeiter vielleicht neu sind oder viele Kunden bedienen müssen, bleibt oft keine Möglichkeit für ein ausführliches Gespräch über Zutaten und Rezepturen. Zumindest geht es mir so, wenn hinter mir die Kundenschlange gehetzt steht und wartet. Dann kaufe ich lieber nur das gewohnte Brot und bin auf der sicheren Seite. Wie schön wäre es, Zutaten, Nährwerte und Wissenswertes zu den einzelnen Backwaren oder Neuheiten über fest installierte Tablets und Infoscreens im Verkaufsraum aufrufen zu können, ohne die anderen Kunden gefühlt aufzuhalten? Oder in Ruhe nach Allergenen zu schauen, weil ich wegen Unverträglichkeiten darauf achten muss? Oder einen vegetarischen Snack über Filterfunktionen auszuwählen, weil ich einfach gern vegetarisch esse? Und dann ist der Schritt zum folgenden Ausblick nicht mehr weit …
Self Service Stationen
Was wäre, wenn man über digitale Geräte bestellen könnte? Also Self Service Konzepte, die den Bestellprozess in der Systemgastronomie seit über einem Jahr umkrempeln, und manchmal sogar das Warten am Abholtresen sparen, mit dem Einsatz von Pagern oder Funksendern. Sicher ist das nicht für jeden Bäckereistandort eine Möglichkeit. Aber die Vorteile sind doch herauszustellen: Ich persönlich genieße einfach die Ruhe. Denn gerade wenn der Andrang an den Kassen groß ist, finde ich es toll, in Ruhe das Sortiment anzuschauen, zu bestellen und zu bezahlen.
Fazit: Bäckerei der Zukunft
Die Bäckerei der Zukunft wird sich immer mehr differenzieren. Einerseits mit individuellen Produkten, um sich von der industriellen Massenware abzugrenzen, andererseits mit einem neuen Bäckereierlebnis – digital und emotional. Ein Beispiel dafür ist unter anderem das bäck stage in Mössingen; eine Bäckerei, die mit Event-Location, Restaurant, Hotel und Backkursen eine Differenzierung schafft. Und nicht zu vergessen, aber immer wichtiger: Die Bäckerei der Zukunft setzt sich auch mit dem Trend zur Rohstoff- und Geschmacksvielfalt und einem gastfreundlichen Wohlfühlambiente in Szene.
Wer mehr über die Bäckerei der Zukunft lesen möchte, kann in diesem Interview mit Dominique Huth in die gläserne (Bäckerwelt-)Kugel blicken.